Die Bundesregierung fürchtet, dass sich angesichts der hohen Inflation die wirtschaftliche Lage privater Haushalte deutlich verschärfen könnte. “Die gestiegenen Preise stellen viele Menschen vor ernsthafte Probleme”, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), dem “Handelsblatt” (Mittwochsausgabe).
Viele Bürger seien schon jetzt “erheblich überschuldet”, erklärte die Ministerin, die auch für Verbraucherschutz zuständig ist. Verschuldungsexperten und Ökonomen sehen insbesondere einkommensschwache Haushalte übermäßig belastet. Die Konsequenz sei “eine Zunahme an Überschuldung und Privatinsolvenzen, da vielen Menschen mit wenig Einkommen keine andere Wahl bleibt, als ihre höheren Lebenshaltungskosten durch eine zunehmende Verschuldung zu finanzieren”, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Er sprach von einer “höchst unsozialen Krise”. Denn Geringverdiener seien mit einer zwei- bis dreimal stärkeren Verteuerung der Lebenshaltungskosten konfrontiert als Menschen mit hohen Einkommen. “Der Grund ist, dass Menschen mit geringen Einkommen einen viel höheren Anteil ihres monatlichen Einkommens für Lebensmittel und Energie ausgeben müssen, also für Produkte, die sehr viel teurer geworden sind.” Der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch, teilt die Einschätzung: “Der andauernde finanzielle Stress setzt den Verbrauchern doppelt zu”, sagte er dem “Handelsblatt”. “Die Lebenshaltungskosten wie Strom, Miete, Lebensmittel und andere Investitionen fressen einen großen Teil des Einkommens und der Ersparnisse.” In der Folge hätten viele Bürger keine Chance, etwas für schlechtere Zeiten zur Seite zu legen. “Das wird absehbar zu einer höheren Verschuldung und Überschuldung führen.” DIW-Chef Fratzscher fordert als Konsequenz eine Ausweitung staatlicher Hilfen: Eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns und des Bürgergelds, deutlich mehr Geld für die Kindergrundsicherung und direkte Finanztransfers für besonders stark betroffene Bürger seien der richtige Weg, den die Bundesregierung einschlagen sollte, sagte er.
dts Nachrichtenagentur