Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat vor dem Hintergrund der Krisen in der Welt vor einer Tendenz hin zu autokratischen Herrschaftsformen gewarnt. “Die Sehnsucht nach einer starken Hand und nach nationalistischer Abschottung, die Anfälligkeit für Ressentiments und Intoleranz, all das hat auch mit einer tiefen Verunsicherung zu tun, die viele Menschen in dieser unruhigen Zeit erfasst”, sagte er am Mittwoch laut Redetext bei einer Veranstaltung in Hamburg.
Klimawandel, Pandemie, der Krieg in der Ukraine und weitere Umbrüche sorgten bei vielen Menschen für Beunruhigung. “Aber dieses Gefühl sollte niemanden zu dem Fehlschluss verleiten, die liberalen Demokratien seien schwach und nicht in der Lage, mit ihren inneren Spannungen umzugehen oder die großen Aufgaben des 21. Jahrhunderts in den Griff zu bekommen”, betonte Steinmeier. “Wer meint, Vielstimmigkeit, demokratische Verfahren und Weltoffenheit stünden wirksamen Lösungen im Weg, der irrt.”
Diktaturen und Autokratien hingegen “können Neues und Abweichendes nicht integrieren, sie müssen ausgrenzen und Oppositionelles mit Zwang unterdrücken”, führte der Bundespräsident aus. “Je nachhaltiger der Widerspruch, umso enger werden die Zügel angezogen. Und es gibt nur diese eine Richtung, die Möglichkeit der Selbstkorrektur ist ausgeschlossen.”
Das “als falsch Erkannte korrigieren” könnten nur Demokratien. “Deshalb sind liberale Demokratien stark: weil sie Probleme lösen und dabei den Zusammenhalt in Freiheit und Vielfalt bewahren können.”
Wie sehr Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit derzeit bedroht seien, führe unter anderem der russische Überall auf die Ukraine “brutal vor Augen”, sagte Steinmeier laut Redetext weiter. Die dort verübten Kriegsverbrechen und die Gewalt gegen Zivilisten, “all das zeigt uns jeden Tag, welche Gewalt und Unmenschlichkeit von der russischen Diktatur und vom russischen Nationalismus ausgehen”. Der Ukraine-Krieg sei “eine Warnung an alle, die mit illiberaler Demokratie und Nationalismus kokettieren”.
Steinmeier äußerte sich in Hamburg beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.
Quelle: AFP