Unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat sich die finnische Staatsspitze für einen sofortigen Nato-Beitritt ihres Landes ausgesprochen. Präsident Sauli Niinistö und Regierungschefin Sanna Marin forderten in einer am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung, dass Finnland die Aufnahme in die westliche Militärallianz “unverzüglich” beantragen solle. Der Kreml reagierte umgehend und warnte, ein Nato-Beitritt Finnlands wäre “eindeutig” eine Bedrohung für Russland. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg stellte Finnland seinerseits eine “reibungslose und zügige” Aufnahme in das westliche Militärbündnis in Aussicht.
Finnland ist seit Jahrzehnten in militärischen Bündnisfragen neutral, seit dem Einmarsch des Nachbarlandes Russland in die Ukraine hat sich die öffentliche Meinung jedoch deutlich gewandelt. “Eine Mitgliedschaft in der Nato würde die Sicherheit Finnlands stärken”, erklärten Niinistö und Marin. Das Land würde “das Bündnis als Ganzes stärken”.
Die Staatsspitze kündigte die formelle Entscheidung zu einem Beitrittsantrag zur Nato für Sonntag an. Ein Ausschuss wird dann den Beschluss für eine Bewerbung bei der Nato fassen und diese dem Parlament vorgelegen.
Laut einer am Montag veröffentlichten Umfrage befürworten inzwischen 76 Prozent der Finnen eine Mitgliedschaft in der Nato, während die Zustimmung in den vergangenen Jahren bei 20 bis 30 Prozent gelegen hatte.
Auch im benachbarten Schweden soll am Sonntag die Entscheidung über einen Nato-Betritt verkündet werden. Wie Finnland verhält sich Schweden seit Jahrzehnten militärisch neutral. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs änderte sich auch hier die öffentliche Meinung aus Angst vor einem Angriff Russlands.
Der Kreml sieht im möglichen Beitritt Finnlands aber “eindeutig” eine Bedrohung für Russland. Eine Ausweitung des Militärbündnisses und eine Nato-Annäherung an die russischen Grenzen würde “die Welt und unseren Kontinent nicht stabiler und sicherer machen”, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. “Alles wird davon abhängen, wie dieser Prozess vonstatten geht, wie weit die militärische Infrastruktur an unsere Grenzen heranrücken wird”, fügte er hinzu.
“Ein Nato-Beitritt wäre gegen niemanden gerichtet”, hatte Niinistö bereits am Mittwoch nach Warnungen Moskaus versichert. Der finnische Präsident galt lange als Vermittler zwischen Moskau und dem Westen. Sein Land hat eine 1300 Kilometer lange Grenze mit Russland.
Finnland war 1939 von der Sowjetunion überfallen worden. Zwar wehrten sich die Finnen, waren aber schließlich gezwungen, einen großen Teil der östlichen Provinz Karelien abzutreten.
Zudem erklärte sich die finnische Führung damals gegenüber Moskau bereit, sich aus der westlichen militärischen Zusammenarbeit herauszuhalten und eine Form der erzwungenen Neutralität anzunehmen. Das Land entging so dem Status eines sowjetischen Satellitenstaates, blieb aber in Bezug auf seine Außen- und Militärpolitik im Blickfeld Moskaus.
Treten Finnland und Schweden der Nato bei, wäre dies die bedeutendste Erweiterung des Verteidigungsbündnisses seit 2004, als die baltischen Staaten Mitglieder wurden. Mit dem Beitritt würde die nordöstliche Nato-Flanke deutlich gestärkt.
Einerseits würde der abschreckenden Haltung der Nato Nachdruck verliehen. Andererseits bringen Helsinki und Stockholm erhebliche militärische Kapazitäten ein. Allein Finnland kann in Kriegszeiten auf eine Armee mit 280.000 kampffähigen Soldaten und weiteren 600.000 Reservisten zurückgreifen. Zudem will das Land seinen Verteidigungshaushalt bis 2026 um 40 Prozent erhöhen.
Nach der Einreichung einer offiziellen Bewerbung bei der Nato müssen alle 30 Bündnismitgliedstaaten den Antrag ratifizieren – ein Prozess, der Monate dauern kann. Finnlands Außenminister Pekka Haavisto ging am Dienstag von einem Beitritt seines Landes “frühestens” am 1. Oktober aus.
Nato-Generalsekretär Stoltenberg erklärte am Donnerstag, der Beitritt Finnlands würde “reibungslos und zügig” erfolgen. Er begrüßte den Wunsch des Landes, Teil des Bündnisses zu werden. Stoltenberg betonte, Finnland würde in der Nato “herzlich willkommen” geheißen.
Quelle: AFP