Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) setzt zur Bewältigung der aktuellen Krisen auf Unterstützung für Bürger und Firmen, will zugleich aber in der Bundesregierung Zurückhaltung bei den Ausgaben und eine Rückkehr zur Schuldenbremse 2023 durchsetzen. “Wir werden Schritt für Schritt den Modus der fiskalischen Expansion verlassen und nach der Rückkehr zur Normalität größere Risikopuffer aufbauen”, heißt es in einem finanzpolitischen Strategiepapier, das Lindner am Mittwoch vorstellte.
Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, des Ukraine-Kriegs und hoher Energiepreise brauche Deutschland “eine zukunftsorientierte Finanz- und Wirtschaftspolitik, die das Wachstum angebotsseitig erhöht, ohne der Inflation zusätzlichen Auftrieb zu geben”, heißt es in dem 22-seitigen Papier mit dem Titel “Finanzpolitik in der Zeitenwende – Wachstum stärken und inflationäre Impulse vermeiden”.
In dem Papier werden drei “Grundpfeiler” der Strategie herausgestellt: Erstens würden die Einkommen der Bürgerinnen und Bürger stabilisiert, “indem wir gezielt die aus dem Krieg resultierenden Belastungen abfedern”, nämlich die stark steigenden Kosten für Strom, Lebensmittel, Heizung und Mobilität. Zweitens solle auch Firmen geholfen werden: “Wir richten Stoßdämpfer für vom Krieg betroffene Unternehmen ein.”
Um die Produktivität der deutschen Firmen zu steigern, setzt das Finanzministerium unter anderem darauf, die “Rahmenbedingungen für die Gründung und Skalierung zukunftsfähiger Unternehmen” zu verbessern. Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt, Bürokratie abgebaut und die Verwaltung modernisiert werden.
Dritter “Grundpfeiler” ist laut dem Papier “eine klare Ausrichtung der Finanzpolitik am Ziel fiskalischer Resilienz und finanzpolitischer Stabilität”. Lindner formulierte es auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Papiers so: “Man muss den Exit finden aus dem Krisenmodus.” Er bezog dies insbesondere auf die Aussetzung der Schuldenbremse – ab nächstem Jahr will Lindner die Vorgabe wieder einhalten.
Der Minister schickte eine Warnung an seine Kabinettskollegen vor zusätzlichen Ausgabewünschen: Es gebe den Klima- und Transformationsfonds für die Aufgabe des Klimaschutzes und des Umbaus der Wirtschaft und bald auch das Sondervermögen Bundeswehr. “Die darüber hinausgehenden Bedarfe müssen dann irgendwann auch aus dem laufenden jährlichen Haushalt bedient werden können”, mahnte Lindner.
Er äußerte sich kritisch dazu, dass es im “politischen Raum” immer neue Vorschläge für Staatsausgaben gebe. Als Beispiel führte Lindner das Klimaschutz-Sofortprogramm an, “wo jede sinnvolle Maßnahme, CO2 einzusparen, kombiniert ist mit einer Subvention aus dem Staatshaushalt”.
Die finanzpolitische Strategie solle zwar noch in der Regierung diskutiert werden, sagte Lindner. Sie beschreibe aber schon jetzt die “Leitlinien” des Finanzministeriums und sei für das Ressort auch “Basis für die Priorisierung” von Vorhaben der Koalition. Steuererhöhungen schloss Lindner erneut aus; zudem forderte er ein “Belastungsmoratorium” für die Wirtschaft. Klassische Konjunkturprogramme wiederum seien derzeit “nicht sinnvoll”.
Unterstützung bekam Lindner von seinem persönlichen Wirtschaftsberater Lars Feld, der die Strategie gemeinsam mit ihm vorstellte. Es bestehe derzeit ein “hohes Risiko” für eine sogenannte Stagflation, also schwaches Wirtschaftswachstum kombiniert mit hoher Inflation, sagte Feld.
Daher müsse der Staat nicht die Nachfrage-, sondern die Angebotsseite stärken, also Kapazitätsausweitungen der Wirtschaft fördern. Zugleich müsse allmählich wieder eine “höhere Solidität” der Staatsfinanzen erreicht werden, um Puffer für mögliche künftige Krisen aufbauen zu können.
Quelle: AFP