Die Bundesregierung erwägt offenbar eine “signifikant hohe Zahl” von russischen Diplomaten aus Deutschland auszuweisen, die der Geheimdienstarbeit verdächtigt werden. Das berichtet die “Süddeutsche Zeitung” (Samstagausgabe) unter Berufung auf eigene Informationen.
Die Politische Direktorin des Auswärtigen Amtes, Tjorven Bellmann, sprach demnach in einer Konferenz mit ihren Kollegen aus den G-7-Staaten Anfang der Woche von einem “Entscheidungspaket”, zu dem auch der Entzug von Akkreditierungen russischer Botschaftsmitarbeiter zählen könne. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu laut SZ, die Bundesregierung stimme sich zu weiteren Reaktionen auf den russischen Angriff auf die Ukraine eng mit den Partnern ab. Alle Optionen blieben auf dem Tisch. “Es wäre nicht zweckmäßig, dass wir Maßnahmen vorab ankündigen.”
Deutschland könnte der Zeitung zufolge eine ähnlich hohe Zahl von Mitarbeitern russischer Vertretungen des Landes verweisen, wie es zuletzt Belgien und die Niederlande getan haben, also etwa 20. In der Bundesregierung werden aber noch verschiedene Optionen diskutiert. Die Entscheidung müssten das Kanzleramt, das Auswärtige Amt und das Innenministerium im Einvernehmen treffen, das bislang aber noch nicht hergestellt werden konnte. In der Bundesregierung herrscht Uneinigkeit über den Sinn solcher Ausweisungen. Zwar ist in Geheimdienstkreisen bekannt, dass Russland eine hohe Zahl an inoffiziellen Geheimdienstmitarbeitern in Berlin unterhält, allerdings sehen sich Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz in der Lage, die Mitarbeiter zu überwachen.
Sie hätten sich in den vergangenen Wochen unauffällig verhalten, zitiert die SZ aus Geheimdienstkreisen. Der BND, der als Behörde dem Kanzleramt nachgeordnet ist, erwartet, dass eine Ausweisung entsprechende Gegenmaßnahmen der russischen Seite auslösen wird – womit die Zahl deutscher Diplomaten in Russland deutlich reduziert würde. Der BND unterhält wie überall auf der Welt auch in der Botschaft in Moskau eine offizielle Residentur, allerdings mit lediglich zwei Mitarbeitern. Es ist davon auszugehen, dass diese Mitarbeiter von russischen Vergeltungsmaßnahmen betroffen wären.
Hunderte russische Geheimdienstmitarbeiter sind mit diplomatischer Immunität ausgestattet und als normale Botschaftsmitarbeiter akkreditiert in Europa aktiv. Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatten schon im vergangenen Jahr die russischen Spionageaktivitäten wieder das Niveau der Zeit des Kalten Krieges erreicht.
dts Nachrichtenagentur