US-Präsident Joe Biden hat seinen Besuch in Polen zu einem klaren Bekenntnis zur Nato und zur Beistandspflicht genutzt. Den Bündnisfall-Artikel des Nato-Vertrages nannte Biden am Samstag eine “heilige Verpflichtung” seines Landes. Der Ukraine stärkte er bei einem Treffen mit deren Außen- und Verteidigungsminister in Warschau den Rücken. An Moskaus Ankündigung eines Strategiewechsels, wonach die russische Armee sich künftig auf die “Befreiung” der Donbass-Region konzentriert, äußerte Biden Zweifel.
Bei seinem Treffen mit Polens Staatschef Andrzej Duda verwies der US-Präsident auf Artikel 5 des Nato-Vertrages. Demnach wird ein Angriff auf ein Land des Verteidigungsbündnisses als ein Angriff auf alle Bündnisstaaten gewertet. “Sie können sich darauf verlassen”, sagte Biden – “für unsere und eure Freiheit”. Mit diesen Worten griff Biden eine Parole aus der Zeit des polnischen Kampfes gegen die russischen Besatzer im 19. Jahrhundert auf.
Der russische Staatschef Wladimir Putin setze vergeblich “auf eine gespaltene Nato”, sagte Biden. Sein Vorgänger im Präsidentenamt, Donald Trump, hatte die Nato als “obsolet” bezeichnet und somit bei den europäischen Partnern erhebliche Zweifel an der Bündnistreue der USA aufkommen lassen.
Biden war am Freitag zu einem zweitägigen Besuch in dem Nato-Land eingetroffen. Am Samstag nutzte er seinen Aufenthalt für sein erstes persönliches Treffen mit hochrangigen Vertretern der Regierung in Kiew seit Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar.
An dem Gespräch mit dem Außen- und dem Verteidigungsminister der Ukraine, Dmytro Kuleba und Oleksij Resnikow, im Warschauer Marriott-Hotel nahmen auch US-Außenminister Antony Blinken und Pentagonchef Lloyd teil. Die USA hätten dabei ihr “standhaftes Bekenntnis zur Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine” abgelegt, sagte Außenamtssprecher Ned Price.
Später besuchte Biden ukrainische Flüchtlinge in Warschau. Mit Blick auf das Leiden der ukrainischen Zivilbevölkerung bezeichnete er Putin als “Schlächter”. Zuvor hatte der US-Präsident den Kreml-Chef wiederholt einen “Kriegsverbrecher” genannt.
Zu einem möglichen Strategiewechsel Russlands in der Ukraine sagte Biden, er sei “nicht sicher”, dass sie diesen vollzogen hätten. Der russische Vize-Generalstabschef Sergej Rudskoj hatte am Freitag erklärt, die Armee werde sich künftig auf die “Befreiung” der Donbass-Region in der Ostukraine konzentrieren.
Die ersten bei dem Militäreinsatz in der Ukraine gesetzten Ziele seien erreicht und die “ukrainischen Kampfeinheiten in bedeutendem Umfang reduziert worden”, sagte Rudskoj. Damit könne die Armee künftig “den Großteil ihrer Anstrengungen auf das Hauptziel richten: die Befreiung des Donbass”.
Der Donbass ist bereits jetzt zu Teilen in der Hand pro-russischer Milizen. Das erklärte Kriegsziel des Kreml lautete bisher, die gesamte Ukraine zu “entnazifizieren”, Staatschef Wolodymyr Selenskyj zu stürzen und die ukrainischen Streitkräfte zu zerschlagen.
Im Zentrum der Ukraine wurde die Kommandozentrale der ukrainischen Luftwaffe in Winnyzja durch sechs russische Marschflugkörper stark beschädigt. Das ukrainische Militär meldete aber auch bedeutende Geländegewinne unter anderem in der Hauptstadtregion Kiew.
Laut Pentagon startete die ukrainische Armee zudem eine Offensive zur Rückeroberung der Stadt Cherson. Auf dem Flughafen von Tschornobajiwka in der Region Cherson wurde nach ukrainischen Angaben ein russischer General getötet. Westlichen Sicherheitskreisen zufolge starben bereits sieben russische Generäle im Ukraine-Krieg.
Zur Evakuierung der hart umkämpften ostukrainischen Stadt Mariupol kündigten Frankreich, Griechenland und die Türkei eine gemeinsame Initiative an. Die ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Ljudmyla Denisowa warf der russischen Armee vor, an ihren Kontrollpunkten einen Konvoi mit verletzten Kindern aus Mariupol aufzuhalten.
Quelle: AFP