Die einen nannten ihn Präfektenmörder, die anderen Unabhängigkeitskämpfer: Der Tod des korsischen Häftlings Yvan Colonna nach dem Angriff eines Mithäftlings wühlt seine Anhänger auf und belastet das Verhältnis zwischen der französischen Regierung und der Mittelmeerinsel Korsika. “Es muss genau geklärt werden, wie es dazu gekommen ist”, sagte Regierungssprecher Gabriel Attal am Dienstag dem Sender Europe1.
Die Familie von Yvan Colonna hatte am Montagabend den Tod des 61-Jährigen bestätigt. Sie bitte um Respekt und wolle sich nicht weiter äußern, sagte ihr Anwalt Patrice Spinosi.
In Bastia und der Inselhauptstadt Ajaccio gab es am Abend friedliche Versammlungen. Colonna war im Gefängnis in Arles am 2. März von einem Mithäftling aus unbekannten Gründen angegriffen worden und hatte seitdem im Koma gelegen.
Die französische Regierung rief am Dienstag zu Ruhe und zum Dialog auf. “Es gab offenbar schwere Missstände”, sagte Attal mit Blick auf die Haftbedingungen Colonnas. “Die Umstände, unter denen er gestorben ist, sind dramatisch”, betonte er. “Er starb in einem der am besten gesicherten Gefängnisse Frankreichs unter den Augen nutzloser Überwachungskameras”, schrieb die Zeitung “Corse-Matin” (Dienstagsausgabe).
Der Vorfall hatte auf der Mittelmeerinsel alte Spannungen wieder entfacht. Es war zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen, die dem französischen Staat eine Mitverantwortung für den Angriff auf Colonna vorwarfen.
Präsident Emmanuel Macron hatte vergangene Woche eine Debatte über die Autonomie der französischen Insel in Aussicht gestellt, die jahrzehntelang von Anschlägen von Separatisten erschüttert worden war. Macron nahm Reformen in den Blick, “welche die historischen, geografischen und kulturellen Besonderheiten Korsikas” anerkennen sollten. Dabei müsse aber klar sein, dass Korsika zur französischen Republik gehöre.
Die Befürworter der Unabhängigkeit von Frankreich haben auf Korsika in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren, aber viele Korsen fordern mehr Autonomie für die Insel. Sie setzen sich unter anderem dafür ein, inhaftierte Gesinnungsgenossen in Gefängnisse auf der Insel zu verlegen. Der Sonderstatus Korsika solle außerdem in der Verfassung erwähnt werden.
Colonna, ein korsischer Schäfer und Unabhängigkeitskämpfer, war in Frankreich wegen der Ermordung des Präfekten Claude Erignac im Februar 1998 schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Colonna hatte die Tat stets bestritten und war bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gezogen. Die Straßburger Richter wiesen seine Klage jedoch als nicht zulässig ab.
Eine Gruppe korsischer Nationalisten hatte Erignac am 6. Februar 1998 in Ajaccio auf offener Straße erschossen, als er mit seiner Frau zu einem Konzert gehen wollte. Ein Jahr nach dem Mord bezichtigten mehrere Mitglieder des korsischen Kommandos Colonna der Tat. Später zogen sie ihre Aussagen zurück und erklärten, die Polizei habe sie bei den Verhören unter Druck gesetzt.
Colonna war nach dem Tod des Präfekten abgetaucht und erst im Sommer 2003 in einer Schäferhütte auf Korsika gefasst worden. Er erklärte seine jahrelange Flucht damit, dass er von vornherein als Schuldiger abgestempelt worden sei.
Quelle: AFP