Demonstrantin nach Protestaktion in russischem Fernsehen zu Geldstrafe verurteilt

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Die Demonstrantin Marina Owsjannikowa ist nach ihrer Protestaktion während einer Nachrichtensendung im russischen Fernsehen zu einer Geldstrafe verurteilt und vorerst auf freien Fuß gesetzt worden. Ein Gericht in Moskau verurteilte sie am Dienstag zur Zahlung von 30.000 Rubel (rund 250 Euro), wie eine AFP-Reporterin aus dem Gerichtssaal berichtete. Nach Angaben ihres Anwalts drohen ihr aber weiterhin ein Strafverfahren und eine lange Haftstrafe. 

Owsjannikowa, die nach ihrer Protestaktion am Montag festgenommen worden war, bekannte sich bei der Anhörung nicht schuldig. “Ich erkenne meine Schuld nicht an”, sagte Owsjannikowa im Gerichtssaal. “Ich bin überzeugt, dass Russland ein Verbrechen begeht”, sagte sie weiter.

Owsjannikowa war während der Sendung “Wremja” des Senders Perwy Kanal hinter der Nachrichtensprecherin Jekaterina Andrejewa aufgetaucht. Owsjannikowa, die selbst als Redakteurin für den Sender arbeitet, hielt ein Schild mit der Aufschrift “Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen” in die Kamera. 

Sie rief außerdem “Stoppt den Krieg!”, bevor die Live-Übertragung abbrach. “Wremja” ist die wichtigste Nachrichtensendung des Landes und wird seit Jahrzehnten um 21.00 Uhr ausgestrahlt. Perwy Kanal kündigte eine interne Untersuchung zu dem Vorfall an.

Bei der Gerichtsanhörung am Dienstag ging es nicht um Owsjannikowas Protest im Fernsehen, sondern um eine vorab aufgezeichnete Videobotschaft, in der sie ihre Beweggründe für die Aktion darlegte und zu Protesten gegen die russische Militäroffensive aufrief. Deswegen drohten ihr zehn Tage Haft.

Owsjannikowas Anwalt Daniil Berman befürchtet außerdem einen Strafprozess auf Grundlage des neuen Mediengesetzes. “Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Behörden daran ein Exempel statuieren, um andere Protestierende zum Schweigen zu bringen”, sagte Berman. Das russische Parlament hatte vor kurzem ein Gesetz verabschiedet, das bis zu 15 Jahre Haft für die Verbreitung von “Falschnachrichten” über das Militär vorsieht. 

Ihr Leben habe sich “sehr verändert”, sagte Owsjannikowa nach der Anhörung der Nachrichtenagentur AFP. “Noch wichtiger ist, dass es jetzt einen neuen Trend gibt: Andere Journalisten folgen meinem Beispiel.” Die Mutter zweier Kinder sagte in einer kurzen Erklärung vor der Presse, sie habe fast zwei Tage nicht geschlafen. Sie sei 14 Stunden verhört worden. “Ich durfte nicht mit meinen Angehörigen sprechen und hatte keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand, weshalb ich mich in einer sehr schwierigen Lage befand.”

In einem zuvor aufgezeichneten Video, das von OWD-Info veröffentlicht wurde, erklärte Owsjannikowa, dass ihr Vater Ukrainer und ihre Mutter Russin sei. Deshalb ertrage sie es nicht, die beiden Länder verfeindet zu sehen. “Leider habe ich in den vergangenen Jahren für Perwy Kanal gearbeitet und Propaganda für den Kreml gemacht. Dafür schäme ich mich heute sehr”, sagte sie. 

Ein Video von Owsjannikowas Protestaktion während der Nachrichtensendung verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den Online-Netzwerken. Zahlreiche Internetnutzer lobten den “außergewöhnlichen Mut” der Frau. Auch ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell bezeichnete Owsjannikowas Protest als “mutig”.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, er danke allen Russen, “die nicht aufhören, die Wahrheit zu sagen”, und lobte die Protestaktion im Fernsehstudio.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte an, sein Land werde Owsjannikowa konsularischen Schutz oder Asyl anbieten. Darüber wolle er auch “sehr direkt” bei seinem nächsten Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sprechen.

Quelle: AFP

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