Ukraine trifft Vorkehrungen für drohenden russischen Einmarsch

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Die Ukraine verstärkt ihre Vorbereitungen auf einen drohenden Einmarsch russischer Truppen: Kiew ordnete am Mittwoch die Mobilisierung von Reservisten an und forderte seine Bürger zum Verlassen Russlands auf. Der ukrainische Sicherheitsrat sprach sich für die Verhängung des landesweiten Ausnahmezustands aus. Russland begann derweil mit dem Abzug seines diplomatischen Personals aus der Ukraine und kündigte eine “harte” Antwort auf die Sanktionen der USA an.

Das ukrainische Außenministerium rief die rund drei Millionen in Russland lebenden Ukrainer auf, das Land wegen einer “möglichen russischen Aggression” sofort zu verlassen. Das Militär ordnete zudem die Mobilmachung von rund 250.000 Reservisten im Alter von 18 bis 60 Jahren an. 

Eine “allgemeine Mobilisierung” hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Vortag noch ausgeschlossen. Die Ukraine verfügt über rund 200.000 Soldaten, hinzu kommen die Reservisten. Das russische Militär ist mit rund einer Million aktiven Soldaten weitaus größer und wurde in den vergangenen Jahren modernisiert und aufgerüstet.

Der ukrainische Sicherheitsrat brachte einen landesweiten Ausnahmezustand auf den Weg. Die Maßnahme musste vom Parlament noch offiziell bestätigt werden.

Selenskyj forderte angesichts der Furcht vor einem russischen Großangriff Sicherheitsgarantien für sein Land. “Die Ukraine braucht Sicherheitsgarantien. Klar, konkret und sofort”, sagte er nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Polen und Litauen in Kiew. 

Sein Appell richtete sich an den Westen, aber auch an Moskau. “Ich glaube, dass Russland zu den Ländern gehören muss, die klare Sicherheitsgarantien geben”, betonte Selenskyj. Die Zukunft der Sicherheit Europas werde “in diesem Moment entschieden, hier in unserer Heimat, in der Ukraine”, fügte er hinzu.

Putin hatte die Interessen seines Landes wenige Stunden zuvor als “nicht verhandelbar” bezeichnet. Zwar erklärte sich der Kreml-Chef zur Suche nach “diplomatischen Lösungen” bereit. Er betonte aber auch: “Die Interessen Russlands, die Sicherheit unserer Bürger, sind für uns nicht verhandelbar.”

Russland kündigte außerdem harte Gegenmaßnahmen als Reaktion auf die von den USA verhängten Finanzsanktionen gegen Moskau an. “Es sollte kein Zweifel daran bestehen, dass es eine harte Antwort auf die Sanktionen geben wird, die nicht unbedingt symmetrisch, aber wohlkalkuliert und schmerzhaft für die amerikanische Seite sein wird”, erklärte das russische Außenministerium.

Putin hatte am Montag die Unabhängigkeit der Separatisten-Gebiete in der Ostukraine anerkannt und die Entsendung von russischen Soldaten angekündigt. Als Antwort auf Russlands Vorgehen beschloss die EU gemeinsam mit den USA und anderen Partnern Wirtschafts- und Finanzsanktionen.

Der Westen befürchtet weiterhin einen russischen Großangriff auf die Ukraine. Die britische Außenministerin Liz Truss nannte es “sehr wahrscheinlich”, dass Putin auch die Hauptstadt Kiew angreifen wolle. Auch US-Präsident Joe Biden hatte am Dienstag das Vorgehen des Kreml als “Beginn einer russischen Invasion der Ukraine” bezeichnet. 

Außenminister Antony Blinken sagte ein geplantes Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ab. Ein Treffen ergebe derzeit “keinen Sinn”, erklärte er.

An der ukrainischen Grenze hat der Kreml nach westlichen Angaben rund 150.000 Soldaten zusammengezogen. Jüngste Satellitenbilder zeigten laut dem US-Unternehmen Maxar zudem weitere militärische Aktivitäten Russlands in Grenznähe. Demnach wurden unter anderem mehr als hundert Militärfahrzeuge und dutzende Truppenzelte im Süden von Belarus an die Grenze verlegt. 

In einem russischen Dorf rund 50 Kilometer vor der Grenze zur Ukraine wurden Raketenwerfer, Haubitzen und weitere militärische Ausrüstung auf einen hunderte Meter langen Zug geladen, wie AFP-Reporter berichteten. 

Die Europäische Union berief für Donnerstag einen Krisengipfel ein. EU-Ratspräsident Charles Michel begründete dies mit Russlands “aggressivem Vorgehen”. Bei den Treffen soll es nach Michels Angaben auch um weitere Unterstützung für die Ukraine gehen.

Unterdessen gab es in der Ostukraine weiter einzelne Gefechte. Nach Angaben der ukrainischen Armee wurde ein Soldat bei einem Angriff pro-russischer Milizen nahe der Frontlinie getötet. Ein weiterer Soldat sei verletzt worden. Nach AFP-Zählungen starben in den vergangenen vier Tagen sechs ukrainische Soldaten, seit Jahresbeginn insgesamt neun.

Die Separatisten in Luhansk meldeten am Mittwoch den Tod eines Kämpfers. Er sei durch einen ukrainischen Scharfschützen erschossen worden, erklärten sie. Auch ein Zivilist wurde nach ihren Angaben getötet.

Quelle: AFP

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