In Portugal ist am Sonntag ein neues Parlament gewählt worden. Jüngsten Umfragen zufolge zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der Sozialistischen Partei (PS) von Regierungschef António Costa und der Sozialdemokratischen Partei (PSD) aus dem oppositionellen Mitte-rechts-Lager ab. Demnach dürfte keines der beiden Lager eine parlamentarische Mehrheit erhalten. Am Nachmittag (17.00 Uhr MEZ) lag die Wahlbeteiligung bei mehr als 45 Prozent – ein deutliches Plus verglichen zur Abstimmung 2019.
Die Wahllokale öffneten am Sonntagmorgen und sollten um 21.00 Uhr (MEZ) schließen. Anschließend werden erste Hochrechnungen erwartet.
Die vorgezogene Neuwahl war im November einberufen worden, nachdem der Haushaltsentwurf von Costas Minderheitsregierung im Parlament gescheitert war – auch, weil ihm seine bisherigen Verbündeten von der radikalen Linken die Unterstützung entzogen hatten.
Die große Frage ist nun, wer künftig mit wem eine Regierungskoalition eingehen könnte. Vier Gruppierungen können mit einem Stimmenanteil von je fünf bis sechs Prozent rechnen. Zuwächse werden vor allem für die Rechtspopulisten der Chega-Partei erwartet.
Portugal brauche “nach diesen zwei schwierigen Jahren des Kampfes gegen die Pandemie” Stabilität, hatte Costa am Freitag zum Wahlkampfabschluss in Porto gesagt. Seine Regierung habe die “Austerität und die Stagnation besiegt” und sei auf einem guten Weg gewesen, auch “die Pandemie zu besiegen”.
Costas PS hatte vor drei Monaten noch deutlich vor der PSD gelegen. Seitdem schrumpfte der Vorsprung der Regierungspartei. In den letzten Umfragen kamen die Sozialisten auf 35 bis 36 Prozent. Die von Portos früherem Bürgermeister Rui Rio angeführten Sozialdemokraten lagen bei 33 Prozent.
Wegen der Corona-Krise durfte ein Teil der Bevölkerung bereits vor einer Woche wählen. Rund 300.000 Wähler gaben ihre Stimme schon ab – darunter auch Costa. Das Prozedere sollte mögliche Schlangen vor Wahllokalen entzerren. Portugal kämpft derzeit gegen die Omikron-Welle. Jeder zehnte Portugiese befindet sich in Quarantäne. Positiv getestete Bürger dürfen ihre Isolation für die Stimmabgabe verlassen.
Während Costas erster Amtszeit konnte Portugal vier Jahre lang ein Wirtschaftswachstum verzeichnen, das es der Regierung ermöglichte, die während der europäischen Schuldenkrise 2011 verhängten Sparmaßnahmen rückgängig zu machen und den ersten Haushaltsüberschuss des Landes seit 1974 zu erzielen. Die vergangenen zwei Jahre waren von der Corona-Krise geprägt und trafen insbesondere den Tourismus-Sektor schwer.
“Ich habe für die Sozialisten gestimmt, weil wir sie in dieser schwierigen Zeit brauchen”, sagte Manuel Pinto, ein 68-jähriger ehemaliger Tischler, der in Lissabon wählte. Trotz einer “gewissen Enttäuschung” über die Sozialisten glaubt die Mehrheit der Wähler, dass Costa “mehr Kompetenzen und Erfahrung als Rio hat, um zu regieren”, sagte die Politikwissenschaftlerin Marina Costa Lobo.
Quelle: AFP