Angesichts des Gutachtens zum Ausmaß sexualisierter Gewalt im katholischen Erzbistum München und Freising fordert der Unabhängige Bundesbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannnes-Wilhelm Rörig, eine stärkere Rolle des Staates bei der Aufklärung. “Seit Jahren ist im Komplex des sexuellen Kindesmissbrauchs klar, dass sich die Kirchen und auch andere selbstverwaltete Bereiche der Gesellschaft, wie zum Beispiel der organisierte Sport, nicht allein aufklären und aufarbeiten können”, sagte Rörig der “Welt”.
“Der Staat”, so Rörig weiter, “muss sich deshalb nicht nur im Rahmen der Justiz, sondern endlich und nachdrücklich auch dann für eine Aufarbeitung engagieren, wenn ihm zum Beispiel wegen eingetretener strafrechtlicher Verjährungen die Hände gebunden sind.” Hierfür bedürfe es “gesetzlicher Grundlagen”, sagte Rörig. Er erwähnte dabei ausdrücklich nicht nur sein eigenes Amt, für das die Ampel-Parteien laut Koalitionsvertrag eine gesetzliche Grundlage schaffen wollen. Nötig sei diese vielmehr auch für die bei seinem Amt angesiedelte Aufarbeitungskommission: “Um Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in den jeweiligen Institutionen bundesweit voranzubringen und zu unterstützen, wären Beratungs- und Anhörungsrechte gegenüber den Institutionen, vielleicht auch eigene Vorladungs-, Untersuchungs- und Kontrollrechte, für die bei meinem Amt angesiedelte unabhängige Aufarbeitungskommission sinnvoll.” Ihr fehle bisher “eine gesetzliche Grundlage, aus der sich klare Rechte und Pflichten ergeben”, sagte Rörig. Einem stärkeren Eingreifen des Staats sollten sich die Kirchen nicht verweigern, forderte Rörig: “Es wäre sehr gut, wenn die Kirchen bei allem Beharren auf ihrer verfassungsrechtlich garantierten Eigenständigkeit den Mut hätten, hier dem Staat ein eigenes und gesetzlich fundiertes institutionelles Agieren zu ermöglichen.”
dts Nachrichtenagentur