Die internationale Diplomatie drängt Russland im Ukraine-Konflikt zurück an den Verhandlungstisch: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am Dienstag in Moskau, zum Dialog gebe es “keine Alternative”. US-Außenminister Antony Blinken reist zu Gesprächen nach Kiew und Berlin. Die Nato lud Russland und die Bündnispartner zu weiteren Treffen ein. Russlands Außenminister Sergej Lawrow verlangte vor neuen Gesprächen jedoch zunächst Antworten auf Moskaus Forderungen.
Baerbock forderte bei ihrem Antrittsbesuch in Moskau eine zügige Wiederbelebung des Normandie-Prozesses, in dem eine politische Lösung des Ukraine-Konflikts verhandelt wird. “Mit Blick auf die Faktenlage vor Ort und die Umsetzung des Minsker Abkommens” gebe es zwar “unterschiedliche Sichtweisen” zwischen Deutschland und Russland, sagte sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Lawrow. Beide Seiten hätten sich aber zu der Minsker Friedensvereinbarung bekannt und sich darauf verständigt, “schnellstmöglich” Schritte einzuleiten, um ein neues hochrangiges Treffen im Normandie-Format zu ermöglichen.
Das Minsker Abkommen zwischen Russland und der Ukraine war 2015 unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs zustandegekommen. Einen Gipfel im Normandie-Format hatte es zuletzt im Dezember 2019 gegeben; wesentliche Fortschritte gab es seither jedoch nicht.
Wegen eines massiven russischen Truppenaufmarsches an der ukrainischen Grenze gibt es aktuell Befürchtungen, dass Russland einen Einmarsch in das Nachbarland vorbereiten könnte. Baerbock verwies am Dienstag auf die “mehr als 100.000” russischen Soldaten, die “ohne nachvollziehbaren Grund” mit “Panzern und Geschützen” in dem Grenzgebiet zusammengezogen seien. “Es ist schwer, das nicht als Drohung zu verstehen.”
Russland fordert vom Westen in dem Konflikt umfassende Sicherheitsgarantien wie einen Verzicht auf eine weitere Osterweiterung der Nato. Das Verteidigungsbündnis weist dies zurück.
“Wir warten jetzt auf Antworten auf diese Vorschläge – wie sie uns versprochen wurden – um weiter verhandeln zu können”, sagte Lawrow bei der Pressekonferenz mit Baerbock. “Hoffen wir, dass diese Gespräche fortgesetzt werden.” Der Ukraine warf Lawrow eine “Sabotage” der Minsker Vereinbarung vor. Zu einem Treffen im Normandie-Format sei Russland nur unter bestimmten Bedingungen bereit.
US-Außenminister Blinken telefonierte am Dienstag mit Lawrow und unterstrich dabei nach Angaben seines Sprechers, “wie wichtig es ist, den diplomatischen Weg fortzusetzen” und zu “deeskalieren”. Blinken wird am Donnerstag in Berlin zu Vierer-Gesprächen mit Vertretern der Bundesregierung, Frankreichs und Großbritanniens über die Krise erwartet. Zuvor will er nach Angaben des US-Außenministeriums die Ukraine besuchen, um am Mittwoch Präsident Wolodymyr Selenskyj zu treffen.
Laut einem Bericht der russischen Zeitung “Kommersant” vereinbarten Blinken und Lawrow, sich am Freitag zu Gesprächen in Genf zu treffen.
Im Osten der Ukraine herrscht seit 2014 Krieg zwischen pro-russischen Separatisten und der ukrainischen Armee. Kiew und der Westen werfen Moskau vor, die Separatisten militärisch zu unterstützen. Mehr als 13.000 Menschen wurden seit Beginn des Konflikts getötet.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte bei einem Besuch in Berlin, er habe Russland und die Nato-Partner zu einer “Reihe von Gesprächen” eingeladen. Dabei sollten die Sorgen der Nato-Staaten angesprochen, aber auch “den Besorgnissen Russlands Gehör” geschenkt werden”, sagte Stoltenberg bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In erster Linie gehe es darum, “Fortschritte an der politischen Front zu machen”, um einen militärischen Angriff auf die Ukraine zu verhindern, betonte Stoltenberg.
Baerbock hatte in der Vergangenheit für harte Sanktionen gegen Russland plädiert, sollte dessen Armee die Ukraine angreifen. In Moskau warnte sie für den Fall eines russischen Einmarsches ins Nachbarland erneut vor Konsequenzen für die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2.
Inwiefern Nord Stream 2 als Druckmittel in den Gesprächen mit Russland in der Ukraine-Krise herangezogen werden sollte, ist sowohl innerhalb Deutschlands als auch innerhalb der EU strittig. Lawrow beklagte am Dienstag eine “Politisierung” von Nord Stream 2. Das Pipeline-Projekt diene der Energiesicherheit Deutschlands und Europas.
Quelle: AFP