Die Corona-Krise hat die weltweite soziale Ungleichheit weiter verschärft – mit dramatischen Folgen für Millionen von Menschen. Während “die Profitlogik unserer Wirtschaft” in der Pandemie dazu geführt habe, dass das Vermögen von allen Milliardärinnen und Milliardären um “beispiellose fünf Billionen Dollar” stieg, lebten nun mehr als 160 Millionen Menschen zusätzlich in Armut, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Oxfam-Bericht. Als Maßnahmen gegen diese massive Unwucht fordert die Hilfs- und Entwicklungsorganisation vor allem, Konzerne und Superreiche stärker in die Verantwortung zu nehmen.
Oxfam beklagt eine “strukturelle wirtschaftliche Gewalt, mit zum Teil tödlichen Konsequenzen”. So hätten im Zuge der Pandemie mindestens 13 Millionen Frauen Arbeit und Einkommen verloren, allein im Jahr 2020 beliefen sich ihre Verluste demnach auf mindestens 800 Milliarden Dollar (rund 700 Milliarden Euro). Mehr als 20 Millionen Mädchen zusätzlich würden “nie wieder eine Schule besuchen” und jeden Tag stürben “mindestens 15.000 Menschen, weil ihnen eine adäquate medizinische Versorgung verwehrt ist”.
Für Menschen, die von Rassismus betroffen sind, sei das Risiko, an Covid-19 zu sterben, dabei “bis zu drei Mal größer als für weiße Menschen”, kritisierte Oxfam. “Und Menschen mit geringem Einkommen haben eine geringere Lebenserwartung als wohlhabende Menschen.”
Zudem seien zwar mittlerweile mehr als drei Milliarden Menschen zweifach gegen das Coronavirus geimpft, doch nur rund neun Prozent der Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen hätten mindestens eine Impfdosis erhalten. “Millionen Menschen, die hätten gerettet werden können, sind wegen der ungerechten Impfstoffverteilung an der Pandemie und ihren Folgen gestorben”, erklärte Oxfam.
Die Impfstoffe müssten als öffentliches Gut behandelt werden, auch weil Regierungen die Entwicklung der Vakzine mit viel Steuergeld gefördert hätten, forderte Oxfam. “Mindestens 120 Unternehmen weltweit könnten in die Produktion einsteigen und ausreichend Impfstoffe zu erschwinglichen Preisen herstellen, würde die Technologie global geteilt. Doch das verhindert der internationale Patentschutz.”
Das Aussetzen des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe war in der Corona-Pandemie wiederholt gefordert worden. Pharmakonzerne und Länder wie Deutschland, in denen sie angesiedelt sind, argumentieren allerdings, Patente seien nicht das Haupthindernis bei der Erhöhung der Produktion. Zugleich warnten sie, dadurch würden Innovationen ausgebremst.
Neben “globaler Impfgerechtigkeit” fordert Oxfam zudem, Konzerne und Superreiche stärker zu besteuern. Denn in der Pandemie hätten allein die zehn reichsten Männer der Welt ihr Vermögen verdoppelt. Ihre Vermögen seien von 700 Milliarden Dollar auf 1,5 Billionen Dollar angestiegen, was einem Durchschnittszuwachs von 1,3 Milliarden Dollar pro Tag entspricht.
“Für Milliardäre gleicht die Pandemie einem Goldrausch”, erklärte der Referent für soziale Ungleichheit bei Oxfam Deutschland, Manuel Schmitt. “Regierungen haben Milliarden in die Wirtschaft gepumpt, doch ein Großteil ist bei Menschen hängengeblieben, die von steigenden Aktienkursen besonders profitieren.”
Oxfam erstellte den Bericht anlässlich eines virtuellen Gipfels von Staats- und Regierungschefs unter der Schirmherrschaft des Weltwirtschaftsforum (WEF). Bei den Milliardären stützt sich der Bericht auf die vom US-Wirtschaftsmagazin “Forbes” erstellte Liste, in der Tesla-Chef Elon Musk sowie Amazon-Gründer Jeff Bezos unter den Top Ten zu finden sind, zudem die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin sowie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und der ehemalige Microsoft-Chef Bill Gates.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte angesichts des Oxfam-Berichts vor einer Gefährdung des sozialen Zusammenhalts. “Gegen diese skandalöse Entwicklung hilft nur eins: Reiche und Konzerne müssen stärker in die Verantwortung”, forderte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Er sprach sich für die Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine grundlegende Überarbeitung der Erbschaftsteuer und eine wirksame Besteuerung von Konzernen aus.
Quelle: AFP