Studie: 600 bis 800 Milliarden Euro zusätzlich für klimaneutrale Wirtschaft nötig

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Die Dekarbonisierung stellt Wirtschaft und Staat vor große Herausforderungen: Auf 600 bis 800 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren beziffert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) den zusätzlichen Finanzierungsbedarf in seinem am Donnerstag veröffentlichten Wirtschaftspolitischen Jahresausblick. Allein in dieser Legislatur würde das bis zu 320 Milliarden Euro entsprechen.

“Nur mit mehr Investitionen wird es gelingen, die Wirtschaft gleichzeitig zu dekarbonisieren und unseren Wohlstand zu sichern”, erklärte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. Grundsätzlich sehen die Forschenden demnach kein Problem darin, diesen Bedarf über Kredite zu finanzieren. Die Schuldengrenzen im Grundgesetz seien aber nach wie vor ein “enges Korsett für öffentliche Investitionen”.

Das Forschungsinstitut der Hans-Böckler-Stiftung zeichnete in seinem Bericht ein optimistisches Bild der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung: Aufholeffekte, vermehrter privater Konsum im Frühjahr und eine Entspannung der Lieferengpässe würden im Jahr 2022 zu einem Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent führen. 

“Wir sehen es als sehr positiv an, dass die Ampel-Koalition den enormen Investitionsbedarf in Deutschland angehen will”, erklärte Dullien. Zur Herausforderung könnte indes die Finanzierung der geplanten Investitionen werden. Der Koalitionsvertrag nenne “keine Summen”, enthalte aber “eine Reihe von Maßnahmen, mit denen die Finanzierungsspielräume erhöht werden”, erklärte Dullien. 

Dazu gehörten die Aufstockung des Energie- und Klimafonds, eine zeitlich verzögerte Tilgung der Corona-Schulden sowie die Aufnahme von Krediten durch Unternehmen in öffentlicher Hand. Diese Maßnahmen hätten das Potenzial, “Mittel in der Größenordnung von 200 Milliarden Euro für neue öffentliche Investitionen über die nächsten vier Jahre zu mobilisieren”, erklärte Dullien.

Um Zukunftsinvestitionen zu finanzieren habe die Ampel-Koalition auf eine “Vielzahl kleinteiliger Lösungen” zurückgegriffen. Grund dafür sei die Entscheidung gewesen, “weder die Schuldenbremse zu reformieren, noch die Steuern zu erhöhen”, schrieben die Forscher. Diese Strategie sei nicht ohne Risiko: Die Nutzung des Energie- und Klimafonds sei beispielsweise verfassungsrechtlich umstritten. “Eine echte Reform der Schuldenbremse wäre sinnvoller”, erklärte Dullien.

Positiv bewerteten die IMK-Forscher in ihrem Wirtschaftlichen Jahresausblick die geplante Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde. Das sei ein “wichtiger Schritt in Richtung eines existenzsichernden Mindestlohns”, schrieben die Forscher. Bei der Anhebung der Verdienstgrenze für Minijobs auf 520 Euro im Monat handele es sich hingegen um einen “schwerwiegenden arbeitsmarktpolitischen Fehler”. Dies fördere Beschäftigungsformen mit wenig Arbeitsumfang, niedrigen Löhnen und mangelnder sozialer Absicherung, kritisierten die Forscher.

Auch mit Blick auf die Entwicklung der Inflation und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zeichneten die Studienautoren ein optimistisches Bild. “Wir halten den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) bisher für richtig”, erklärte Dullien. Die hohe Inflation in Deutschland und der EU erkläre sich “in erster Linie durch Sonderfaktoren”. Insbesondere gestiegene Energiepreise und das Auslaufen der Mehrwertsteuer-Senkung habe zu den hohen Inflationsraten beigetragen.

Für das neue Jahr 2022 rechneten die IMK-Forscher mit einem Rückgang der Inflation. “Richtig ist aber auch, dass die EZB handlungsbereit bleibt”, erklärte Dullien. Die Zentralbanker müssten reagieren, “wenn sich doch Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale verdichten sollten”.

Quelle: AFP

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