Russisches Gericht ordnet Auflösung von Menschenrechtszentrum Memorial an

Copyright POOL/AFP/Archiv Ina Fassbender

Ein Gericht in Moskau hat am Mittwoch die Auflösung des Menschenrechtszentrums Memorial angeordnet. Das Urteil erging einen Tag, nachdem das Oberste Gericht Russlands bereits ein Verbot der Dachorganisation Memorial International verfügt hatte, wie eine AFP-Korrespondentin berichtete. Das Menschenrechtszentrum Memorial setzte sich bisher für die Rechte politischer Gefangener in Russland sowie von Minderheiten wie Migranten und Homosexuellen ein.

Das Gericht habe entschieden, “dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Auflösung des Menschenrechtszentrums Memorial und aller damit verbundenen Einrichtungen nachzukommen”, sagte der Richter Michail Kasakow. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Menschenrechtszentrum Verstöße gegen das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz sowie die “aktive” Unterstützung von Extremisten vorgeworfen.

Mit angeblichen Verstößen gegen das Ausländische-Agenten-Gesetz hatte am Dienstag auch das Oberste Gericht Russlands die Zwangsauflösung der Dachorganisation Memorial International begründet. Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin sehen in dem Gesetz ein politisches Instrument, um Oppositionelle und zivilgesellschaftliche Gruppen zum Schweigen zu bringen. 

Das umstrittene Gesetz verpflichtet NGOs, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten, dazu, ihre Publikationen mit speziellen Kennzeichnungen zu versehen. Den russischen Behörden zufolge haben Memorial International und das Menschenrechtszentrum Memorial gegen diese Auflagen verstoßen. Vertreter von Memorial hatten die Vorwürfe als “absurd” bezeichnet.

Der Chef des Menschenrechtszentrums, Alexander Tscherkassow, hatte in der Anhörung am Mittwoch vor der öffentlichen Wirkung eines Verbots der Organisation gewarnt. Eine Zwangsauflösung sei “eine Bestätigung dafür, dass die Verfolgung aus politischen Grünen zu einer systemischen Realität in unserem Leben geworden ist”, sagte er.

Das Menschenrechtszentrum Memorial veröffentlicht jedes Jahr eine Liste politischer Gefangener in Russland. Zuletzt wies das Zentrum auch immer wieder auf das Schicksal des inhaftierten Oppositionspolitikers Alexej Nawalny hin, dessen Organisationen in Russland als “extremistisch” eingestuft sind.

Internationale Beobachter betrachten das Vorgehen der russischen Behörden gegen das Memorial-Netzwerk als eindeutig politisch motiviert. US-Außenminister Antony Blinken sprach nach dem Verbot der Dachorganisation Memorial International am Dienstag von einem “Affront gegen die Sache der Menschenrechte überall”. Das russische Volk habe “etwas Besseres verdient”. Die Bundesregierung nannte das Urteil “mehr als unverständlich”. 

Memorial ist die älteste und wichtigste Menschenrechtsorganisation in Russland. Die Dachorganisation setzt sich seit mehr als 30 Jahren für die Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen in der Sowjetunion ein. 

Quelle: AFP

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