Die langjährige Vertraute des verstorbenen US-Sexualstraftäters Jeffrey Epstein, Ghislaine Maxwell, ist wegen Sexhandels mit Minderjährigen verurteilt worden. Die Geschworenen des zuständigen Bundesgerichts in New York befanden die 60-Jährige am Mittwoch in fünf der sechs Anklagepunkte für schuldig. Maxwell droht nun eine jahrzehntelange Gefängnisstrafe. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt. Ihre Anwältin kündigte bereits Berufung an.
Der Schuldspruch der zwölfköpfigen Jury fiel einstimmig nach rund 40-stündigen Beratungen. Als Richterin Alison Nathan das Urteil verkündete, zog die im Gerichtssaal sitzende Maxwell langsam ihre Corona-Schutzmaske herunter und trank in kleinen Schlücken Wasser. Sie verließ den Saal flankiert von Justizbeamten mit gesenktem Kopf.
Die Anklage hatte der Tochter des verstorbenen britischen Medienmoguls Robert Maxwell vorgeworfen, über Jahre systematisch Minderjährige für Epstein rekrutiert zu haben, die von dem bestens vernetzten Finanzinvestor dann sexuell missbraucht wurden. Maxwell beteiligte sich demnach teilweise auch selbst an dem Missbrauch.
Staatsanwältin Alison Moe sagte vergangene Woche in ihrem Schlussplädoyer, Maxwell sei eine “raffinierte Sexualstraftäterin, die genau wusste, was sie tat”. Sie sei Epsteins “Komplizin” bei “furchtbaren Verbrechen” gewesen und der “Schlüssel” beim sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch den Multimillionär.
Die Vorwürfe umfassten einen Zeitraum zwischen 1994 und 2004. Während des dreiwöchigen Prozesses sagten vier mutmaßliche Epstein-Opfer aus. Zwei von ihnen waren nach eigenen Angaben nur 14 Jahre alt, als der sexuelle Missbrauch begann.
Die Staatsanwaltschaft begrüßte am Mittwoch den Schuldspruch gegen Maxwell. “Der Weg zur Gerechtigkeit war viel zu lang”, erklärte Staatsanwalt Damian Williams. “Aber heute ist Gerechtigkeit geübt worden.”
Maxwells Anwältin Bobbi Sternheim sagte hingegen, sie sei “sehr enttäuscht von dem Urteil”. Ihr Team arbeite bereits an einer Berufung und sei “zuversichtlich, dass sie Recht bekommen wird”.
Maxwell, die am ersten Weihnachtsfeiertag 60 Jahre alt wurde, hatte alle Vorwürfe zurückgewiesen und auf nicht schuldig plädiert. Ihre Verteidigung argumentierte, Maxwell werde zum “Sündenbock” gemacht, weil Epstein nach seinem Tod nicht mehr der Prozess gemacht werden könne.
Der bereits 2008 wegen Sexualverbrechen verurteilte Epstein war im August 2019 nach seiner Festnahme tot in seiner New Yorker Gefängniszelle gefunden worden. Nach Angaben der Behörden nahm der 66-Jährige sich das Leben.
Der schwerreiche Investor, der mit bekannten Größen aus Politik und Gesellschaft wie den früheren Präsidenten Bill Clinton und Donald Trump und Microsoft-Gründer Bill Gates verkehrte, soll jahrelang minderjährige Mädchen und junge Frauen sexuell missbraucht und zur Prostitution angestiftet haben. In den Missbrauchsskandal ist auch der britische Prinz Andrew verstrickt, ein langjähriger Freund von Maxwell.
Virginia Giuffre, die laut eigenen Angaben von Epstein als Minderjährige für Sex an Prinz Andrew ausgeliehen wurde, begrüßte das Urteil auf Twitter. “Ich hoffe, dass der heutige Tag nicht das Ende ist, sondern ein weiterer Schritt, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun”, schrieb Giuffre, die im Prozess nicht ausgesagt hatte. Maxwell habe nicht allein gehandelt. “Andere müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Ich bin zuversichtlich, dass sie das tun werden”, sagte Guiffre, die selbst einen Zivilprozess gegen Prinz Andrew anstrengt. Dieser bestreitet die Vorwürfe.
Maxwell – einst Epsteins Geliebte und dann über Jahre seine enge Vertraute und Mitarbeiterin – wurde im Juni 2020 im Bundesstaat New Hampshire festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Sie könnte den Rest ihres Lebens hinter Gittern verbringen: Auf einen der Anklagepunkte steht eine Höchststrafe von 40 Jahren Gefängnis, auf die anderen Anklagepunkte stehen fünf bis zehn Jahre Haft.
Nach der Urteilsverkündung baten ihre Anwälte die Richterin, dafür zu sorgen, dass die 60-Jährige im Gefängnis eine dritte Dosis eines Corona-Impfstoffs erhält – in New York wütet die Pandemie derzeit wieder besonders heftig.
Quelle: AFP