“Wenn die britische Regierung diesen Weg ginge, wäre das ein enormer Rückschlag für unsere Beziehungen”, sagte EU-Kommissionsvizepräsident Maro efčovič dem “Spiegel”.
Die Regierung von Premierminister Boris Johnson hatte wiederholt damit gedroht, das Nordirland-Protokoll – das den zum Vereinigten Königreich gehörenden Teil Irlands praktisch im EU-Binnenmarkt belässt und so die Entstehung einer neuen harten Grenze auf der irischen Insel verhindern soll – einseitig aufzukündigen. Das Nordirland-Protokoll sei “das Fundament des gesamten Vertragswerks”, sagte efčovič. “Ohne das Protokoll bricht das System zusammen.” Dies würde das nicht nur die derzeit gute wirtschaftliche Entwicklung in Nordirland, sondern auch den Frieden in der ehemaligen Bürgerkriegsregion gefährden. “Für die Beziehungen zwischen der EU und London hätte das alles ernste Konsequenzen”, so efčovič, der für die Beziehungen zu Großbritannien zuständig ist. Die EU-Kommission und die britische Regierung streiten seit Monaten über die Umsetzung des Brexit-Vertrags, der den am 31. Januar 2020 vollzogenen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU regelt. In Brüssel sorgen insbesondere die britischen Angriffe gegen das erst vor einem Jahr beschlossene Nordirland-Protokoll für Irritationen. “Die britische Regierung hat das Nordirland-Protokoll infrage gestellt, kaum dass sie es unterzeichnet hatte und sogar internationales Recht gebrochen, um das Protokoll umgehen zu können”, sagte der EU-Kommissionsvize mit Blick auf das umstrittene britische Binnenmarkt-Gesetz. Dadurch habe die britische Regierung “viel Vertrauen zerstört”. Der Kommissionsvizepräsident machte den Brexit indirekt für die jüngsten Schwierigkeiten in der Treibstoff- und Lebensmittelversorgung Großbritanniens mitverantwortlich. In Nordirland habe es “bisher keine Engpässe in der Versorgung der Supermärkte oder der Tankstellen” gegeben, sagte efčovič. “Das zeigt, dass das Nordirland-Protokoll den Menschen dort nützt. Es gibt ihnen Zugang sowohl zum Binnenmarkt der EU als auch zu dem von Großbritannien.”
dts Nachrichtenagentur