In Hongkong ist ein wichtiges Symbol der Demokratie-Bewegung entfernt worden. In einer nächtlichen Aktion ließ die älteste Hochschule der Metropole, die Hong Kong University (HKU), am Donnerstag eine Statue zum Gedenken an die Opfer der blutigen Zerschlagung der Tiananmen-Proteste 1989 abbauen. Demokratie-Aktivisten verurteilten das Vorgehen der Universität, ein Zeitzeuge der Tiananmen-Proteste sprach von einer “Niederträchtigkeit”.
Bauarbeiter bauten die von dem dänischen Künstler Jens Galschiot erbaute “Säule der Schande” unter den Augen von Wachpersonal ab. Die Wachleute hinderten Medienvertreter daran, sich der Statue zu nähern und versuchten, sie am Filmen zu hindern. Reportern gelang es aber dennoch, Aufnahmen davon zu machen, wie die Statue in mehrere Teile zerlegt und in einen Container verfrachtet wurde.
Die Entscheidung zur Entfernung der “veralteten” Statue basiere auf “einer externen Rechtsberatung und einer Risikobewertung im Interesse der Universität”, teilte die HKU mit. Die Universität verwies auch auf ein noch aus der Kolonialzeit stammendes Gesetz, das unter anderem den Straftatbestand der “Verhetzung” enthält. Ähnlich wie das im vergangenen Jahr durch Peking erlassene sogenannte Sicherheitsgesetz kommt der Verhetzungsparagraph seit einiger Zeit immer häufiger in Strafverfahren gegen Dissidenten zur Anwendung.
Die HKU hatte die Entfernung der Statue wegen “rechtlicher Bedenken” bereits im Oktober angekündigt. Den Vollzug der Entscheidung prangerten am Donnerstag prominente Demokratie-Aktivisten an.
Der frühere Studentenführer Wang Dan, der nach der Zerschlagung der Tiananmen-Proteste inhaftiert worden war und inzwischen in den USA lebt, wertete die Entfernung der Statue als Angriff auf die Freiheit des Gedenkens. “Sie nutzen diese Niederträchtigkeit, um das blutbefleckte Kapitel der Geschichte auszulöschen”, schrieb er bei Facebook.
Der nach Taiwan geflohene Hongkonger Künstler Kacey Wong sprach von einem “schändlichen Verbrechen”. Der im britischen Exil lebende frühere Abgeordnete Nathan Law twitterte: “Die Säule der Schande wurde entfernt, aber die Erinnerung lebt. Wir müssen uns daran erinnern, was am 4. Juni 1989 geschehen ist.” Dazu setzte er den Hashtag #TiananmenMassacre.
Am 3. und 4. Juni 1989 hatte die chinesische Armee studentische Demokratie-Proteste auf dem Pekinger Tiananmen-Platz gewaltsam niedergeschlagen. Wie viele Menschen dabei ums Leben kamen, ist bis heute unklar. Amnesty International spricht von mehreren hundert bis mehreren tausend Opfern.
Die “Säule der Schande” des dänischen Künstlers Galschiot hatte seit 1997 – dem Jahr der Rückgabe Hongkongs an China durch Großbritannien – auf dem Campus der HKU gestanden. Die acht Meter hohe Skulptur zeigt 50 von Qual gezeichnete Gesichter und gefolterte Körper.
Der Bildhauer Galschiot nannte die Entfernung der Statue durch die Universität “schockierend”. Das Kunstwerk sei nach wie vor sein Privateigentum, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
Die Sonderverwaltungszone Hongkong war jahrzehntelang der einzige Ort in China, an dem ein Gedenken an die Toten von Tiananmen toleriert wurde. Nach monatelangen Massenprotesten 2019 gegen den wachsenden Einfluss Pekings gehen die Behörden mit zunehmender Härte gegen Kritiker in der Wirtschaftsmetropole vor. Im Juli 2020 trat das sogenannte Sicherheitsgesetz in Kraft: Es erlaubt den Behörden ein drakonisches Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen.
In den Fokus der Behörden gerieten zuletzt auch immer stärker die Hongkonger Universitäten – einst Bastionen der Wissenschaftsfreiheit in der Region. Zahlreiche Studentenorganisationen wurden inzwischen verboten, ebenso wie Demonstrationen auf dem Campus. In Schulen wurde inzwischen ein Fach zur “nationalen Sicherheit” eingeführt.
Hinzu kommen massive Eingriffe der Behörden in die Erinnerungskultur, mit denen ein “patriotisches” Geschichtsverständnis gefördert werden soll. Gedenkveranstaltungen zu den Ereignissen auf dem Tiananmen-Platz werden in Hongkong inzwischen als “umstürzlerisch” bewertet, bei Verstößen drohen Strafen auf Grundlage des umstrittenen Sicherheitsgesetzes.
Quelle: AFP