Eine 52-jährige Pflegerin ist im Prozess um eine Bluttat mit vier Toten in einer Potsdamer Behinderteneinrichtung zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Das Landgericht Potsdam sprach Ines Andrea R. am Mittwoch des vierfachen Mordes sowie dreifachen Mordversuchs schuldig. Die Verurteilung erfolgte auch für die in Tateinheit begangene gefährliche Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen. Die Richter legten zudem die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik fest.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass R. am 28. April im Oberlinhaus in Potsdam vier Menschen mit Behinderungen tötete – zwei Frauen und zwei Männer im Alter zwischen 31 und 56 Jahren.
“Pflichtbewusst, fürsorglich, liebevoll” – so hätten die meisten in dem im November begonnenen Prozess Gehörten die Angeklagte beschrieben, sagte der Vorsitzende Richter Theodor Horstkötter. Sie sei “Pflegerin mit Leib und Seele” gewesen. R. habe aber mit einer Fassade gelebt – was sie im Inneren quälte, habe sie verborgen gehalten.
Schon in der Kindheit habe sie Suizidgedanken gehabt, Psychopharmaka und verschiedenste Therapien seien an ihr ausprobiert worden. Dazu seien schwere Schicksalsschläge wie die Schwerbehinderung des einen und die Krebserkrankung des anderen Sohnes gekommen.
Eine weitere große Last sei die hohe physische und psychische Belastung bei der Arbeit gewesen. Oft hätten zwei Pflegekräfte zehn Schwerstbehinderte betreuen müssen.
Die Tage vor der Tat sei R. mit ihren Kräften am Ende gewesen, ihr Ehemann habe sie gedrängt, zum Arzt zu gehen. “Wären sie zum Arzt gegangen, wären die Oper nicht auf so grausame Art und Weise ums Leben gekommen”, sagte Horstkötter an die Angeklagte gerichtet. Diese verfolgte die Ausführungen mit zu Boden gesenktem Blick.
Am Tattag schien die Arbeit im Oberlinhaus R. zu erdrücken. Große Wut sei in ihr aufgestiegen. Gewaltfantasien hätten sie schon länger beschäftigt, vor der Tat habe sie ihre Tötungsfantasien dann “nicht mehr aus dem Bewusstsein verdrängen können”. “Die Wut artete in Gewalt aus – Gewalt gegen Menschen”, sagte Richter Horstkötter. Es sei “ganz spontanes Handeln” gewesen.
Nach den Feststellungen des Gerichts hatte R. zuerst versucht, zwei Menschen der Einrichtung durch Erwürgen zu töten. Einen Mann wähnte sie anschließend tot. Von einer Frau ließ sie ab, weil es ihr zu “anstrengend” gewesen sei. Danach holte sie ein Messer, tötete damit die beiden und zwei weitere Menschen mit Behinderungen.
Im Anschluss daran versuchte sie auch eine 43-jährige Bewohnerin zu töten. Die Frau überlebte dank einer Notoperation mit schweren Verletzungen.
Aufgrund einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sei die Impulskontrolle und Affektsteuerung der Angeklagten erheblich beeinträchtigt gewesen. Die 1. Große Strafkammer ging deshalb einem psychiatrischen Gutachten folgend von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aus, was statt einer lebenslangen Freiheitsstrafe eine Höchststrafe von 15 Jahren vorsieht.
Das Gericht kam damit bei der Strafhöhe der Forderung der Staatsanwaltschaft nach. Ein von der Anklagebehörde gefordertes lebenslanges Berufsverbot verhängte die Kammer jedoch nicht.
R.s Verteidiger hatte keinen konkreten Antrag gestellt, aber das Gericht aufgefordert, die völlige Schuldunfähigkeit seiner Mandantin anzuerkennen. Die Angeklagte hatte im Anschluss an die Plädoyers ihr Bedauern über die Tat geäußert. “Es tut mir ganz doll leid”, hatte sie gesagt.
Die Tat wurde im Thusnelda-von-Saldern-Haus in Potsdam begangen, einer Einrichtung des diakonischen Anbieters Oberlinhaus. Polizisten entdeckten die Toten in verschiedenen Zimmern nach einem Notruf. R. wurde unmittelbar nach der Tat festgenommen. Sie ist inzwischen in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Eine Revision gegen das Urteil ist möglich.
Quelle: AFP