Linksgerichteter Boric gewinnt Präsidentschaftswahl in Chile deutlich

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In Chile ist der 35-jährige Linkspolitiker Gabriel Boric zum jüngsten Präsidenten in der Geschichte des Landes gewählt worden. Boric setzte sich in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl am Sonntag klar gegen den ultrakonservativen José Antonio Kast durch. Der frühere Studentenführer hat angekündigt, tiefgreifende Wirtschaftsreformen anstoßen und die soziale Ungleichheit bekämpfen zu wollen. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass es ihm ohne Mehrheit im Parlament schwer fallen dürfte, seine Pläne umzusetzen.

Zehntausende Anhänger feierten Borics Wahlsieg am Wahlabend mit Regenbogen Flaggen und Feuerwerk. Laut Wahlbehörde erhielt der Links-Kandidat fast 56 Prozent der Stimmen, sein Kontrahent kam auf nur 44 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei mehr als 55 Prozent – ein Höchstwert seit 2012.

Aufgrund des großen Vorsprungs hatte Kast bereits nach Auszählung von 70 Prozent der Stimmen seine Niederlage eingeräumt. “Ich habe gerade mit Gabriel Boric gesprochen und ihm zu seinem großen Triumph gratuliert”, schrieb er am Sonntag auf Twitter. “Von heute an ist er der designierte Präsident Chiles und er verdient unseren ganzen Respekt.”

“Ich bin begeistert, ich weine vor Freude. Wir haben dem Faschismus einen Schlag versetzt”, sagte die 45-jährige Apotheken-Angestellte Jennie Enríquez. Der 58-jährige Bauarbeiter Luis Astorga betonte, er erwarte nun “viele Veränderungen”, die unter anderem “der Arbeiterklasse helfen werden”.

Boric, Sohn kroatischer und katalanischer Einwanderer, hat mit 35 Jahren gerade das gesetzliche Mindestalter für eine Kandidatur zum Staatschef erreicht. Er gehörte zu den Anführern der Studentenproteste gegen die hohen Studiengebühren in Chile im Jahr 2019.

In seiner ersten offiziellen Ansprache nach dem Wahlsieg versprach er, den Sozialstaat auszubauen. Sein erklärtes Ziel ist es, Chile wirtschaftspolitisch vom Erbe der Militärdiktatur unter Augusto Pinochets zu lösen, das er für die große soziale Ungleichheit verantwortlich macht. Konkret setzt er sich etwa für eine Reform des privaten Rentensystems und eine stärkere Rolle des Staates im Gesundheits- und Bildungswesen ein.

Doch im Parlament wird es schwierig werden, die dafür nötigen Mehrheiten zu finden: Abgeordnetenhaus und Senat sind etwa zu gleichen Teilen von linken und rechten Parteien besetzt. Boric “wird verhandeln und Vereinbarungen und Bündnisse schließen müssen”, sagt Michael Shifter vom Thinktank Inter-American Dialogue. “Das Regieren wird sehr, sehr hart werden.”

Borics Unterstützer fordern einen schnellen Wandel – nötige Kompromisse könnten dem entgegen stehen. In konservativen Kreisen hingegen gilt Boric als “Kommunist”, auch in der Wirtschaft ist das Misstrauen groß. Schlimmstenfalls hätte der junge Präsident nicht nur mit Unzufriedenheit und Misstrauen auf der rechten Seite, “sondern auch mit Enttäuschung innerhalb seiner eigenen Basis zu kämpfen”, sagte Shifter.

Zudem war das klare Wahlergebnisse zum Teil wohl auch ein Votum gegen den Kontrahenten. Der 55-jährige Kast hatte sich im Wahlkampf ähnlich wie Ex-US-Präsident Donald Trump und Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro als Vorkämpfer für “Ordnung und Sicherheit” präsentiert. 

Bei gesellschaftspolitischen Themen wie der Homo-Ehe und Abtreibungen vertrat er erzkonservative Ansichten. Besonders junge Wähler habe Kast damit wohl gegen sich aufgebracht, sagt die chilenische Politikexperten Claudia Heiss.

Quelle: AFP

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