Bund und Länder bereiten Notfallpläne für den Fall vor, dass massenhafte Corona-Infektionen mit der Omikron-Variante weite Teile des öffentlichen Lebens in Deutschland lahmlegen. Details sollen am Dienstag bei Spitzenberatungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder beschlossen werden, wie am Montag bekannt wurde. Erwartet wird zudem, dass die Bund-Länder-Runde neue Kontaktbeschränkungen beschließt.
“Die Omikron-Variante mahnt zur absoluten Wachsamkeit”, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), am Montag in der ARD. Die Spitzenrunde am Dienstag solle einen “Notfallplan” verabschieden, um das Land “weiter am Laufen zu halten”, wenn sehr viele Menschen zeitgleich am Coronavirus erkranken sollten. Hier gehe es um Bereiche wie Gesundheit und Pflege, Strom- und Wasserversorgung und die Müllabfuhr.
In den Bundesbehörden liefen die Vorbereitungen für derartige Pläne an. Es geht nach Angaben eines Sprechers des Bundesinnenministeriums darum, “dass auch in der Pandemie die Grundfunktionen der Behörden gewährleistet sind”. Solche Pläne seien zum Teil bereits in Kraft – sie würden nun aber auf Grundlage der Empfehlungen des Expertenrats der Bundesregierung zum Umgang mit Omikron überarbeitet.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe habe “zu allen Betreibern kritischer Infrastruktur Kontakte”, sagte der Sprecher. Zudem werde fortlaufend erfasst, wie hoch der Stand der Infektionen in den Behörden sei.
Da die Omikron-Variante höchst ansteckend ist, befürchten Bund und Länder zahlreiche zeitgleiche Infektionen in Deutschland. Im schlimmsten Fall werde es bis Ende Januar “bis zu 700.000 Neuinfektionen pro Tag” geben, sagte Unionsfraktionsvize Sepp Müller (CDU) den Funke-Zeitungen vom Montag.
Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner nannte am Montag einige weitere Beschlüsse, die bei dem Bund-Länder-Treffen zu erwarten seien. Es gehe um Kontaktbeschränkungen bei privaten Zusammenkünften, Teilnehmer-Obergrenzen auch bei öffentlichen Veranstaltungen, die Schließung von Diskos und Clubs sowie eine weitere Beschleunigung der Booster-Impfkampagne. Büchner zitierte einen Impfappell von Kanzler Scholz: “Jetzt Leute, geht dahin und macht das.”
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte zu AFP, weitere Kontaktreduzierungen könnten “kurzfristig” kommen. “Verschärfungen scheinen unvermeidbar – auch wenn wir wissen, dass das sehr vielen Menschen sehr viel abverlangt, denn die Pandemie dauert schon so lange.”
Für Veranstaltungen in Innenräumen gilt derzeit eine Obergrenze von 50 Teilnehmern, an Freiluftveranstaltungen dürfen bis zu 200 Menschen teilnehmen. Diese Zahlen dürften deutlich reduziert werden.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte den Sendern RTL und ntv, Weihnachtsfeiern im kleinen Kreise mit der Familie sollten möglich sein, aber “es gehen eben keine Silvesterpartys, es gehen keine Feiern im großen Kreis”.
Die SPD-Spitze geht davon aus, dass die neuen Kontaktbeschränkungen erst nach den Weihnachtsfeiertagen in Kraft treten. “Wir wollen die Einladungen, die für Weihnachten ausgesprochen worden sind, nicht ad acta legen”, sagte Parteichefin Saskia Esken.
FDP-Chef Christian Lindner sprach sich für “konsequente Maßnahmen” gegen die Omikron-Ausbreitung aus. Das Ziel der FDP sei dabei, “so viel gesellschaftliches Leben wie möglich zu erhalten und Lockdowns zu vermeiden”, sagte er. “Die FDP weiß, dass viele Menschen in unserem Land sich vor einem neuen Lockdown fürchten.”
Vertreter des Gesundheitssektors zeigte sich sehr besorgt angesichts der Ausbreitung der Omikron-Variante. Sollte hier der Impfschutz gegen schwere Verläufe bei nicht geboosterten Menschen tatsächlich schwächer sein, “werden wir es im schlimmsten Fall mit einer großen Zahl gleichzeitig schwer erkrankter Patienten zu tun haben”, sagte der Vorsitzende der Deutsche Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, der Düsseldorfer “Rheinischen Post”.
Quelle: AFP