Lindner bringt 60 Milliarden Euro schweren Nachtragshaushalt auf den Weg

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Zur Finanzierung der von der Ampel-Koalition geplanten Investitionen insbesondere im Bereich Klimaschutz hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einen 60 Milliarden Euro schweren Nachtragshaushalt auf den Weg gebracht. Dieser solle als “Booster für die Volkswirtschaft” dienen, sagte Lindner am Freitag in Berlin. Höhere Schulden werde es dadurch nicht geben. Deutliche Kritik kam vom unabhängigen Beirat des Stabilitätsrates von Bund und Ländern.

Hintergrund des Nachtragshaushalts ist die Tatsache, dass von der für 2021 vorgesehenen Neuverschuldung von 240 Milliarden Euro rund 60 Milliarden Euro voraussichtlich nicht benötigt werden. Diese Summe soll in Form eines Zuschusses aus dem Bundeshaushalt in den Energie- und Klimafonds (EKF) fließen, wie aus Regierungskreisen verlautete. Der EKF, ein Sondervermögen des Bundes, wurde 2011 errichtet, um über den Bundeshaushalt hinaus Investitionen in Klimaschutz und Energiewende zu ermöglichen.

Lindner will den Nachtragshaushalt am Montag dem Bundeskabinett zur Beschlussfassung vorlegen; anschließend wird sich der Bundestag damit befassen. Es gehe darum, während der Corona-Krise nicht erfolgte Zukunftsinvestitionen auszugleichen. Da zur Finanzierung lediglich bisher nicht genutzte Kreditermächtigungen verwendete würden, werde keine zusätzliche Verschuldung aufgebaut.

Um die enorme Neuverschuldung im laufenden Jahr zu ermöglichen, war eine Ausnahmeregelung der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse genutzt worden. Begründet worden war dies mit den wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Corona-Pandemie.

Es berge “erhebliche verfassungsrechtliche Risiken, die derzeit geltende Ausnahmeklausel dafür zu nutzen, nicht krisenbezogene Maßnahmen zu finanzieren”, kritisierte der wissenschaftliche Beirat des Stabilitätsrates Lindners Pläne. Kritik kam auch vom Bund der Steuerzahler: Lindners Vorhaben sei “ein gewagtes Manöver in verfassungsrechtlicher Hinsicht”, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Samstagsausgaben). 

Aus Regierungskreisen hieß es hingegen, zusätzliche Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen würden die Erholung der Corona-bedingt eingebrochenen Konjunktur unterstützen. Der Transfer der 60 Milliarden Euro entspreche daher “dem Sinn und Zwecke der Schuldenregel”. Außerdem werde das Geld ganz zielgerichtet für Zukunftsaufgaben eingesetzt. Bereits im Sommer 2020 war im Rahmen eines Nachtragshaushalts in Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket die Rücklage des EKF um fast 27 Milliarden Euro aufgestockt worden.

Lindner äußerte sich nach einer Sitzung des Stabilitätsrats, dem die Bundesminister für Finanzen und für Wirtschaft sowie die Landesfinanzminister angehören. Kernaufgabe des Gremiums ist, die Haushalte des Bundes und der Länder im Blick zu halten und im Falle drohender Haushaltsnotlagen Gegenmaßnahmen zu empfehlen.

“Trotz der zwischenzeitlich aufgehellten Konjunkturerwartungen belasten die Auswirkungen der Corona-Pandemie nach wie vor die öffentlichen Haushalte erheblich”, erklärte der Stabilitätsrat am Freitag. “Die sich erneut verschärfende pandemische Lage erfordert weiterhin eine zielgerichtete Unterstützung der Wirtschaft.”

Wegen der Pandemie will die Bundesregierung auch im kommenden Jahr die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse nutzen. Der unabhängige Beirat des Stabilitätsrats, dem unter anderem Vertreter der Bundesbank angehören, bezweifelt allerdings, dass dies gerechtfertigt ist. Aus seiner Sicht liegt 2022 “keine solche außergewöhnliche Notsituation” vor, die das Ziehen der Ausnahmeklausel laut Grundgesetz rechtfertigen würde.

Quelle: AFP

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