Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Die Bund-Länder-Beschlüsse haben gemischte Reaktionen hervorgerufen. Die deutsche Messewirtschaft zeigte sich kritisch: “Es ist mittlerweile atemberaubend, in welcher Frequenz Corona-Verordnungen geändert werden”, sagte Jörn Holtmeier, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Messewirtschaft AUMA, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben).
“Auch so wird mittlerweile unmöglich gemacht, was eigentlich noch machbar ist.” Für die Branche, die laut Holtmeier durch die Pandemie einen Schaden von 43,5 Milliarden Euro durch die Pandemie zu beklagen habe, seien Klarheit und Planungssicherheit wichtig. “Die Messewirtschaft in Deutschland fordert Weitsicht von der Politik, keine Manöver auf Sicht”, sagte Holtmeier. Der AUMA-Chef forderte die Bundes- und Landesregierungen auf, die Branche “maximal” zu unterstützen.
So brauche es Absicherungsprogramme für Aussteller, Regeln zur Ermöglichung von Messen und eine Anerkennung internationaler Impfstoffe: “Wir brauchen schnellstens die Einsicht, dass Menschen auch in Deutschland als geimpft gelten, die mit anerkannten Vakzinen der Weltgesundheitsorganisation geimpft worden sind”, sagte Holtmeier. Bund und Länder hatten am Donnerstag unter anderem bundesweite 2G-Regeln für Freizeitveranstaltungen beschlossen. Die Friseure in Deutschland dürfen weiter geöffnet bleiben. Je nach Hospitalisierung und Inzidenz am jeweiligen Standort gelten die aktuellen Vorgaben der Bundesländer, ob eine 2G- oder 3G-Regelung greift.
“Die Regelung trifft unsere Betriebe zwar hart. Sie ist dennoch besser als ein Lockdown”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Friseurhandwerks (ZDF), Jörg Müller, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Schon bisher gelten in einigen Bundesländern 2G-Regelungen für Friseure – zum Beispiel in Niedersachsen, Hamburg, Berlin oder Rheinland-Pfalz. “Jede Einschränkung führt zu Umsatzrückgängen.”
Bei den meisten der rund 80.000 Friseursalons in Deutschland handele es sich um Familienbetriebe. “Viele müssen bereits an ihre Reserven und Altersvorsorge, um die Ausfälle auszugleichen.” Ein erneuter Lockdown würde zudem die Schwarzarbeit in der Branche vorantreiben und die Corona-Pandemie eher vorantreiben, warnte Müller. “Schon im ersten Corona-Winter seien im Lockdown viele Haarschnitte ohne Hygiene- oder Sicherheitsmaßnahmen schwarz erbracht worden.”
Die Branche beschäftigt insgesamt 240.000 Mitarbeiter und erzielt einen Umsatz von 7 Milliarden Euro. Der neue Metro-Vorstandsvorsitzende Steffen Greubel sorgt sich um die Durchhaltefähigkeit seiner Kunden aus der Gastronomie und Hotellerie in der Coronakrise. “Mit weiteren Einschränkungen wird die Frustration steigen”, sagte Greubel der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Freitagsausgabe). “Wenn es nochmals flächendeckende Lockdowns geben sollten, wird sich das massiv auf die Branche auswirken.”
Der Manager fordert zudem die Bundesregierung zu einem “viel konsequenteren Vorgehen in Richtung Impfen” auf. “Wir können nicht immer wieder ganze Industriebereiche wie die Gastronomie so stark schwächen”, sagte Greubel. Für das eigene Unternehmen formuliert der neue Metro-Chef ehrgeizige Wachstumsziele. Viele Großhandelsmärkte sollen umgebaut und mehr Personal eingestellt werden.
“Wir brauchen mehr Außendienstler und mehr Vertrieb. Es reicht nicht, die Ware ins Regal zu legen und darauf zu warten, dass einer kommt”, sagte er. In der Branche sieht der Metro-Chef einen großen Konsolidierungstrend. “In Deutschland haben wir im Juni etwa doppelt so viele Neukunden in der Belieferung gehabt wie vor der Pandemie. Die Konsolidierung ist schon in vollem Gange”, sagte Greubel. Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, begrüßte die geplante 2G-Pflicht im Handel und die allgemeine Impfpflicht. “Die Beschlüsse sind absolut richtig, und wir begrüßen sie. Sie müssen jetzt auch konsequent umgesetzt und kontrolliert werden”, sagte Gaß der “Rheinischen Post” (Freitagausgabe).
“Wir begrüßen sehr, dass die 2G-Regelung inzidenzunabhängig für den Freizeitbereich ausgerollt wird. Insgesamt entsprechen die vorgesehenen Kontaktbeschränkungen gerade für Ungeimpfte dem Ernst der Lage und den Erwartungen der Krankenhäuser.” Ausdrücklich lobte Gaß auch die einrichtungsbezogene wie die allgemeine Impfpflicht: “Eine einrichtungsbezogene Impfpflicht einzuführen, ist nach den klaren Aussagen des Ethikrats eine gute und wichtige Entscheidung. Hier muss nur sichergestellt werden, dass die Regelung Ausweichtendenzen verhindert. Wir begrüßen deshalb auch, dass schnell eine allgemeine Impfpflicht kommen soll.” Zugleich forderte er weitere wirtschaftliche Hilfen von der neuen Bundesregierung: “Noch unbeantwortet sind drängende Fragen zur wirtschaftlichen Stabilität der Krankenhäuser über das Jahresende hinaus, denn die Pandemie wird am 31. Dezember nicht zu Ende sein. Dies ist jetzt die erste Aufgabe des neuen Gesundheitsministers. Hier braucht es schnell Klarheit, damit die Höchstbelastungen in den Krankenhäusern nicht zusätzlich zu existenzbedrohenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen und zu einem nachhaltigen Schaden für unser Gesundheitssystem werden.” Christine Berg, Vorstandsvorsitzende des Branchenverbands HDF Kino, begrüßte die Beschlüsse ebenfalls. “Dies gibt sowohl den Kinos, als auch unserem Publikum mehr Planungssicherheit und Orientierung. Wir appellieren hier aber stark an die Länder, dass diese nicht nur Mindeststandards bleiben, sondern in der Gesamtheit auch möglichst einheitlich umgesetzt werden”, sagte Berg der “Rheinischen Post”. Und weiter: “Insbesondere im Hinblick auf kulturelle Teilhabe von ungeimpften Kindern und Jugendlichen fordern wir die im Infektionsschutzgesetz vorgesehenen Ausnahmereglungen mit Maß, wie es zum Beispiel in Niedersachsen der Fall ist.” Berg forderte, dass das Überleben der Kinos hetzt gesichert werden müsse. Diese seien mit einem massiven Besucherrückgang seit der Einführung von 2G konfrontiert. “Nach fast zwei Jahren Pandemie sind alle Reserven aufgebraucht. Hier muss die Politik mit einer ausgeweiteten Überbrückungshilfe 4 alle Kinostandorte unterstützen. Ansonsten kommt im nächsten Jahr eine große Insolvenzwelle auf uns zu.”
Quelle: DTS