Mehrere Ministerpräsidenten der Länder und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sind uneins über den Sinn einer schnellen Ministerpräsidentenkonferenz (MPK). Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Spahn forderten am Freitag eine möglichst baldige Beratung, während der Hamburger Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) keinen Sinn darin sieht. Tschentscher wollte zugleich einen vollständigen Lockdown nicht ausschließen.
Kretschmer forderte eine schnellstmögliche Vorverlegung der derzeit für den 9. Dezember geplanten MPK. “Zögern wird bestraft – wir brauchen schnellstmöglich ein Bund-Länder-Treffen”, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die neue Südafrika-Variante des Virus verschärfe die Lage.
“Wir brauchen nun umso dringlicher bundeseinheitliche Regelungen im Kampf gegen dieses aggressive Virus”, sagte Kretschmer. Der dringende Abstimmungs- und Handlungsbedarf könne keine 14 Tage mehr warten. Auch Spahn hatte zuvor gesagt, das beste wäre, wenn die Ministerpräsidenten in den kommenden Tagen beraten würden.
Wie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, wollen sich die sogenannten B-Länder – also die von der Union geführten Bundesländer – nun untereinander auf eine Linie verständigen, weil es derzeit keine parteiübergreifenden Gespräche gibt. Die B-Länder wollten eine gemeinschaftliche Idee entwickeln, welche Gesetzesänderungen sie vom Bund fordern.
Eine Änderung des Infektionsschutzgesetz sei dringend nötig, weil dieses keine ausreichenden Möglichkeiten zur Pandemiebekämpfung biete, sagte Söder. Der CSU-Chef griff dabei die Parteien der geplanten Ampel-Koalition scharf an. “Es werden Gespräche regelmäßig verweigert auf Bundesebene”, sagte Söder. So werde vom Bund auch das Vorziehen einer MPK abgelehnt.
Damit habe sich die Zusammenarbeit im Vergleich zur Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erheblich verschlechtert, Merkel habe immer das Gespräch gesucht. “Ich kann da nur ein taktisches Kalkül vermuten”, sagte Söder. Er äußerte sich nach einem Treffen mit Landräten und Kommunalpolitikern im Landkreis Passau und Umgebung. Die Politiker dort forderten einen vollständigen Lockdown, um die Lage in den Griff zu bekommen.
Hamburgs Bürgermeister Tschentscher hinterfragte hingegen den Sinn vorgezogener Gespräche. “Ich habe nichts gegen Ministerpräsidentenkonferenzen, ich habe an jeder teilgenommen”, sagte er den Fernsehsendern RTL und ntv. “Aber es nützt ja nichts, dass dort immer wieder neue Diskussionen erfolgen und Beschlüsse gefasst werden, während auf der Handlungsebene nicht genug Druck in den großen Flächenländern im Süden gemacht wird, dass die Dinge auch auf die Straße kommen.”
Einige Ministerpräsidenten ließen sich “immer wieder” überraschen von dem, “was alle Experten vorhergesagt haben.” Dagegen könne auch keine MPK organisiert werden. “Das ist wirklich auch eine Haltungsfrage, dass man akzeptiert, was zu erwarten war”, sagte Tschentscher.
Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nannte bei RTL und ntv eine vorgezogene Ministerpräsidentenkonferenz sinnvoll, aber nur unter Bedingungen. An dieser müsse nämlich die neue Bundesregierung beteiligt sein, sagte Woidke. “Es wäre sinnvoll, mit der alten und mit der kommenden neuen Bundesregierung eine solche MPK abzuhalten.”
Voraussetzung müsse aber sein, dass sich die geschäftsführende und die kommende Bundesregierung hier abstimmten. Auch müsse mit den Bundesländern dann über mögliche “zusätzliche Maßnahmen” gesprochen werden, um am Ende mit konkreten Ergebnissen aus einer solchen Runde zu gehen.
Derweil schloss Tschentscher beim Fernsehsender “Welt” einen neuen flächendeckenden Lockdown nicht aus. “Wir können jetzt nichts ausschließen, weil die Lage sich ja immer noch weiterentwickelt.” Auch Woidke sagte bei “Welt”, er könne und wolle einen neuen Lockdown nicht ausschließen.
Quelle: AFP