Wegen einer Darmspiegelung unter Narkose hat US-Präsident Joe Biden am Freitag die Amtsgeschäfte knapp eineinhalb Stunden lang an Vizepräsidentin Kamala Harris übergeben. Bidens Sprecherin Jen Psaki sprach von einer “Routine”-Untersuchung für den Präsidenten einen Tag vor seinem 79. Geburtstag. “Gemäß der in der Verfassung festgelegten Prozedur wird Präsident Biden die Macht für die kurze Zeit, in der er unter Narkose steht, an die Vizepräsidentin übergeben.”
Biden informierte am Freitag zunächst den geschäftsführenden Senatspräsidenten Patrick Leahy und die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, darüber, dass er die Amtsgeschäfte vorübergehend nicht ausüben kann. Später erklärte er gegenüber den Kongressspitzen in zwei neuen Briefen, er sei dazu wieder in der Lage.
Bidens Stellvertreterin Harris übernahm in der Zwischenzeit als erste Frau in der US-Geschichte die Amtsgeschäfte des Präsidenten. Die 57-Jährige war nach Angaben des Weißen Hauses eine Stunde und 25 Minuten lang amtierende Präsidentin der USA.
Das Vorgehen ist im 25. Zusatzartikel zur US-Verfassung festgelegt. Demnach übernimmt der Vizepräsident oder die Vizepräsidentin die Aufgaben des Präsidenten, wenn dieser dazu vorübergehend nicht in der Lage ist. Dieses Verfahren wurde schon 2002 und 2007 angewandt, als sich der damalige Präsident George W. Bush Darmspiegelungen unter Narkose unterzog. Auch Präsident Ronald Reagan hatte 1985 wegen einer Krebsoperation kurzzeitig die Amtsgeschäfte an seinen Stellvertreter abgegeben.
Biden, der am Samstag 79 Jahre alt wird, kam am Freitagvormittag im Militärkrankenhaus Walter Reed vor den Toren der Hauptstadt Washington an. Das Weiße Haus hatte zunächst lediglich von einer “jährlichen Routine-Untersuchung” gesprochen. Später fügte Psaki hinzu, der älteste Präsident der US-Geschichte werde sich auch einer “Routine-Darmspiegelung” unterziehen.
Auf der am Vorabend veröffentlichten Tagesplanung für Biden war der Krankenhausbesuch nicht aufgeführt worden. Das Weiße Haus wollte im Verlauf des Tages eine schriftliche Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse vorlegen.
Im Militärkrankenhaus Walter Reed unterziehen sich US-Präsidenten für gewöhnlich medizinischen Untersuchungen. In der renommierten Klinik in Bethesda im Bundesstaat Maryland war auch Bidens Vorgänger Donald Trump während seiner Corona-Erkrankung behandelt worden.
Biden hatte Ende 2019 ein medizinisches Attest vorgelegt, das ihm eine gute Gesundheit bescheinigte. Damals bewarb sich der frühere Vizepräsident noch um die Präsidentschaftskandidatur seiner Demokratischen Partei. Biden raucht nicht, trinkt keinen Alkohol und treibt viel Sport. Ende September ließ er sich eine Booster-Impfung gegen das Coronavirus geben.
Biden erwägt eine erneute Präsidentschaftskandidatur bei der Wahl 2024. Angesichts seines hohen Alters gibt es aber Zweifel, dass er tatsächlich eine zweite Amtszeit anstreben wird. Vizepräsidentin Harris hatte lange als mögliche Nachfolgerin des Präsidenten gegolten. Sie hat sich als Vizepräsidentin bislang aber nicht profilieren können und leidet unter sehr schlechten Umfragewerten.
Quelle: AFP