Vor der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) zur Coronalage am Donnerstag hat Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ungewöhnlich deutliche Kritik an Amtskollegen in anderen Bundesländern geübt sowie den Sinn des Spitzentreffens generell in Frage gestellt. Er habe schon in der ersten Pandemiephase “nie verstanden, warum einige Kolleginnen und Kollegen immer die MPKs abgewartet haben, anstatt im eigenen Land zu handeln”. “Und je länger die Pandemie fortgeschritten ist, desto weniger Verständnis habe ich dafür”, sagte Günther am Mittwoch.
“Sein Blick” sei am Donnerstag jedenfalls auf den Bundestag gerichtet, wo das Infektionsschutzgesetz beschlossen werden soll, fügte der Regierungschef in Kiel vor Journalisten an. Die darin getroffenen Festlegungen seien für das Krisenmanagement seines Landes “viel, viel relevanter”. Die Bundestagsdebatte werde zwar parallel zur MPK stattfinden. “Das kann ich aber auch verfolgen, das ist ja öffentlich”, kündigte Günther weiter an. Dafür werde er sich “auch genügend Zeit während der MPK nehmen”.
“Ich wundere mich einfach immer darüber, dass jetzt lange auf diese MPK geguckt wird und eine Erwartungshaltung gerade aus den südlichen Ländern darauf gelegt wird”, sagte der Politiker bei der Ankündigung einer 2G-Pflicht im Freizeitbereich. “Wenn wir diese Lage gehabt hätten – jetzt mal offen gesagt – solche Inzidenzzahlen in Schleswig-Holstein, dann hätten wir nicht nach einer MPK gefragt, sondern hätten gesagt, wir müssen wohl in unserem eigenen Land dafür sorgen, dass die Lage besser wird.”
“Natürlich” sei es “spannend”, sich “mit der geschäftsführenden Bundesregierung” über die Lageanalyse auszutauschen, ergänzte Günther. Aber den entscheidenden Handlungsrahmen setze der Bundestag mit dem Infektionsschutzgesetz. Seine Koalition habe deshalb auch “gar nicht darauf geguckt, wann ist eigentlich der MPK-Termin, sondern immer gesagt: Wie ist die Lage bei uns im Land, was geben uns die Bundesgesetze für ein Rüstzeug?”
Deutschland kämpft derzeit mit einer dramatisch eskalierenden Coronalage. Insbesondere in Sachsen, Thüringen und Bayern drohen die Infektionszahlen außer Kontrolle zu geraten. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag in Sachsen am Donnerstag nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bei 742, in Thüringen bei 569 und in Bayern bei 568. Im Bundesschnitt erreichte sie knapp 320, in Schleswig-Holstein lag sie dagegen bei nur 107.
Die schleswig-holsteinische Landesregierung sprach sich zugleich vehement dafür aus, eine Impfpflicht für Beschäftigte im Pflege- und Heilbereich in das Bundesinfektionsschutzgesetz aufzunehmen. Dessen Details sind teilweise noch offen und werden aktuell von den Parteien der potenziellen künftigen Ampelkoalition im Bund noch besprochen. “Bitte, bitte, bitte einigt Euch darauf”, sagte die Kieler Vizeministerpräsidentin Monika Heinold (Grüne) am Donnerstag bei dem gemeinsamen Termin mit Günther in Kiel.
Die Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern kommen am Donnerstag zu Beratungen über die Coronalage zusammen. Vor allem Ministerpräsidenten der Union hatten zuvor auf eine neue Konferenz gedrungen, Politiker der SPD hingegen am Sinn gezweifelt. Auch die Bundesregierung war zunächst zurückhaltend.
Quelle: AFP