EuGH sieht erneut Verstoß gegen Unabhängigkeit der Justiz in Polen

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Die polnische Regelung, derzufolge der gleichzeitig als Generalstaatsanwalt fungierende Justizminister Richter an höhere Gerichte abordnen und von dort jederzeit wieder abberufen kann, verstößt gegen EU-Recht. Es müsse sichergestellt sein, dass eine solche Abordnung niemals als Instrument zur politischen Kontrolle von Gerichtsentscheidungen diene, teilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg mit. Konkret ging es um sieben Strafprozesse. (Az. C-748/19 u.a.)

Das Bezirksgericht Warschau, das die Fälle verhandelt, bat den EuGH um Auslegung des EU-Rechts. Es sah in der Regelung eine mögliche Gefährdung der justiziellen Unabhängigkeit: Zu den in den Strafsachen zuständigen Kammern gehörte nämlich ein vom Justizminister abgeordneter Richter. Die Kriterien für die Abordnung seien nicht bekannt, erklärte das Bezirksgericht. Seine Zweifel bestätigte der EuGH nun. Die strittigen Befugnisse des Justizministers seien mit der Pflicht zur Beachtung der Unabhängigkeit der Justiz nicht vereinbar, entschied der Gerichtshof.

Zwar sei laut derzeit geltender Regelung die Zustimmung eines Richters vor der Abordnung notwendig. Allerdings müssten zusätzlich die Kriterien für Abordnung und Abberufung klar sein, forderte der EuGH. Auch müsse eine unfreiwillige Abberufung gerichtlich angefochten werden können. Da der Justizminister gleichzeitig Generalstaatsanwalt sei, habe er Macht sowohl über den Staatsanwalt als auch über die abgeordneten Richter. Es könnten also begründete Zweifel an der Unparteilichkeit aufkommen.

Außerdem seien die betreffenden Richter gleichzeitig stellvertretende Disziplinarbeauftragte und als solche ebenfalls vom Minister ernannt. Disziplinarbeauftragte führen Disziplinarverfahren gegen andere Richter – die gleichzeitige Ausübung beider Ämter hält der EuGH ebenfalls für kritisch.

Der Gerichtshof hatte schon mehrmals geurteilt, dass Teile der polnischen Justizreform gegen europäisches Recht verstoßen. Zuletzt verhängte er Ende Oktober ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro gegen Polen, weil das Land eine Entscheidung zur Disziplinarkammer für Richter nicht umsetzte. Diese Kammer kann Richter bestrafen und entlassen. Ihre Mitglieder werden vom politisch kontrollierten Landesjustizrat ernannt.

Die EU und Polen streiten seit langem über die Einhaltung der für EU-Staaten verbindlichen rechtsstaatlichen Grundsätze. Der Streit eskalierte weiter, als das polnische Verfassungsgericht Anfang Oktober entschied, dass EU-Recht nicht automatisch Vorrang gegenüber nationalem Recht habe. Ende Oktober verklagte das Europäische Parlament die Kommission wegen Untätigkeit vor dem EuGH, weil sie gegen Polen nicht alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft habe.

Quelle: AFP

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