Intensivmediziner-Präsident Gernot Marx hat Bund und Länder wegen einer “echten Notsituation” vieler Kliniken zur Verschärfung der Anti-Corona-Maßnahmen aufgerufen. In Sachsen, Thüringen und Bayern sei die Lage wegen der stark angestiegenen Zahl der Intensivpatienten “schon jetzt sehr, sehr angespannt”, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) der “Neuen Osnabrücker Zeitung” vom Samstag. Die Charité im Ballungsraum Berlin habe schon alle planbaren Operationen abgesagt.
“Das ist eine echte Notsituation. Wegen der Erfahrungen der vorangegangenen Wellen gehen wir fest davon aus, dass schon bald Patienten wieder aus Corona-Hotspots in Kliniken außerhalb verlegt werden müssen”, sagte Marx der Zeitung. “Wir sind jetzt schon in einer kritischeren Phase, weil wir aufgrund der erschöpften und ausgebrannten Pflegekräfte, die den Job hingeworfen oder ihre Arbeitszeit reduziert haben, 4000 Intensivbetten weniger belegen können als vor einem Jahr.” Für alle in der Intensivmedizin Tätigen sei das gerade eine “extreme Situation”.
Marx forderte von der Politik “sehr zügig klare und der Lage angemessene Entscheidungen, und zwar für bundesweit einheitliche Regeln”. Nötig seien zudem eine klare Kommunikation der Entscheidungen und ein Ende der permanenten Streitereien, “damit auch umgesetzt und eingehalten wird, was beschlossen worden ist”, sagte er der “Neuen Osnabrücker.
Dass nicht mehr alle Schwerkranken vollumfänglich versorgt werden können, befürchtet der Divi-Präsident nicht: “Dass wir von zwei Patienten nur einen behandeln können und den anderen nicht, das wird in Deutschland nicht passieren – also wirklich in dem Sinne, dass wir über Leben und Tod entscheiden müssten”, versicherte er. Auch in der vierten Welle “sehe ich die Gefahr einer Triage nicht”. Allerdings würden zahllose planbare Eingriffe, zum Beispiel Herz-OPs, womöglich für Monate aufgeschoben werden müssen. Das verursache viel Leid, sagte Marx.
Quelle: AFP