Unternehmen mit Tarifbindung zahlen ihren Angestellten deutlich häufiger ein Weihnachtsgeld als Betriebe, die nicht nach Tarif bezahlen. “Die Chance, am Jahresende eine Sonderzahlung zu erhalten, ist für Beschäftigte in tarifgebundenen Unternehmen fast doppelt so hoch wie in Unternehmen ohne Tarifvertrag”, erklärte am Freitag das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Die Linke forderte eine gesetzliche Regelung für ein Weihnachtsgeld für alle Beschäftigten.
In Betrieben mit Tarifvertrag erhalten laut Böckler-Stiftung 77 Prozent der Angestellten die Zusatzzahlung, in Betrieben ohne Tarifbindung 41 Prozent. Das WSI wertete für die Studie Daten des Internetportals Lohnspiegel.de aus. Zwischen Anfang November 2020 und Ende Oktober 2021 beteiligten sich rund 57.000 Beschäftigte an der zugrunde liegenden Online-Umfrage. Insgesamt erhalten demnach 52 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Weihnachtsgeld.
Neben der Tarifbindung gibt es weitere Faktoren, die die Auszahlung und Höhe des Weihnachtsgelds beeinflussen: So ist der Anteil der Beschäftigten, die Weihnachtsgeld erhalten, in Westdeutschland mit 55 Prozent deutlich höher als in Ostdeutschland mit 40 Prozent. Dies hänge auch mit der deutlich niedrigeren Tarifbindung in Ostdeutschland zusammen, erklärte das WSI.
Ein weiterer Faktor ist das Geschlecht: 54 Prozent der Männer bekommen laut WSI-Studie Weihnachtsgeld, bei Frauen sind es 50 Prozent. Weitere Unterschiede gibt es zwischen Vollzeit- (53 Prozent) und Teilzeitangestellten (47 Prozent) sowie zwischen befristet (45 Prozent) und unbefristet (53 Prozent) Beschäftigten.
Die Höhe des gezahlten Weihnachtsgelds schwankt deutlich: Es reicht von 250 Euro in der Landwirtschaft bis zu 3715 Euro in der chemischen Industrie. Das am Monatseinkommen gemessen höchste Weihnachtsgeld wird laut WSI in der Eisen- und Stahlindustrie gezahlt, hier erhalten die Arbeitnehmer 110 Prozent ihres Monatslohns als Sonderzahlung. Etwas geringer fallen die Zahlungen im Versicherungsgewerbe (80 Prozent), beim Einzelhandel in Westdeutschland (62,5 Prozent) und in der Metallindustrie (rund 55 Prozent des Monatslohns) aus.
Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow sagte AFP, es sei “angesichts der gegenwärtigen Preissteigerung verheerend”, dass nur rund die Hälfte der Beschäftigten die Sonderzahlung erhalte. Sie forderte ein “Weihnachtsgeld für alle”, dafür müsse es eine gesetzliche Verpflichtung für die Unternehmen geben.
“Unser Vorschlag: Alle Beschäftigten sollen in den Genuss von Weihnachtsgeld kommen, welches mindestens 50 Prozent ihres Monatseinkommens erreicht”, forderte Hennig-Wellsow. Das müsse auch für Menschen gelten, die Hartz-IV oder Arbeitslosengeld I beziehen. Dazu müssten entsprechend das Mindestlohngesetz sowie das Sozialgesetzbuch geändert werden.
Laut dem Statistischen Bundesamt beträgt das durchschnittliche Weihnachtsgeld in Deutschland 2677 Euro brutto. Im Westen liegt es demnach mit 2695 Euro um gut fünf Prozent höher als in Ostdeutschland.
Quelle: AFP