Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen haben am Sonntag in Nicaragua Präsidenten- und Parlamentswahlen stattgefunden. Ein Sieg von Amtsinhaber Daniel Ortega bei der Wahl des Staatschefs galt als sicher, nachdem der seit 14 Jahren regierende Präsident in den vergangenen Monaten Oppositionspolitiker, Journalisten und Aktivisten hatte einsperren lassen. Statt aussichtsreicher Gegner traten fünf weitgehend unbekannte Kandidaten gegen den 75-jährigen Ortega an.
Interessant wird vor allem die Wahlbeteiligung sein, um die tatsächliche Unterstützung für Ortega erahnen zu können. Eine Wahlpflicht gibt es in dem mittelamerikanischen Land mit seinen 6,5 Millionen Einwohnern nicht. Die geschwächte Opposition hatte zum Boykott der von 30.000 Sicherheitskräften überwachten Wahlen aufgerufen. Internationale Beobachter waren wie die meisten internationalen Medien nicht zugelassen.
“Es ist nicht so, dass es schlecht ist (…) Es ist schrecklich: Du darfst nicht reden, sonst stecken sie dich ins Gefängnis”, sagte ein 78-jähriger Nicaraguaner mit dem Vornamen José. “Warum sollte ich wählen gehen?”
Rund zwei Drittel aller Befragten hatten kürzlich dem Meinungsforschungsinstitut Cid-Gallup gesagt, sie hätten für einen der inhaftierten Oppositionskandidaten gestimmt, wären diese zur Wahl zugelassen worden.
Zu den aussichtsreichsten Herausforderern des amtierenden Staatschefs hatte die Journalistin Cristiana Chamorro gezählt. Die Tochter der früheren Präsidentin Violeta Barrios de Chamorro befindet sich aber seit Anfang Juni in Hausarrest und wurde von der Wahl ausgeschlossen.
Chamorro und sechs andere Präsidentschaftskandidaten der Opposition waren auf Grundlage eines im Dezember vom Parlament verabschiedeten Gesetzes festgenommen worden, das den Ausschluss von Oppositionskandidaten von Wahlen erleichtert. Den Oppositionspolitikern wurden Geldwäsche, Hochverrat oder Angriffe auf die Souveränität Nicaraguas vorgeworfen. Der Kongress wird wie die Justiz und die Wahlbehörden von Verbündeten des Präsidenten kontrolliert.
Ortega war bereits in den 1980er Jahren Präsident, nachdem er zuvor als Kommandant der Guerilla FSLN zum Sturz des Diktators Anastasio Somoza im Jahr 1979 beigetragen hatte. 1990 wurde Ortega abgewählt. 2007 gelangte er dann erneut durch Wahlen in das höchste Staatsamt.
Kritiker werfen Ortega vor, über die Jahre hinweg einen zunehmend autoritären und repressiven Regierungsstil entwickelt zu haben. Verfassungsregelungen zur Begrenzung der Amtszeiten der Präsidenten ließ er aushebeln. Massenproteste gegen Ortega im Jahr 2018 wurden von den Sicherheitskräften gewaltsam niedergeschlagen, mehr als 300 Menschen wurden dabei getötet.
Von der EU und den USA wurden Ortega und seine Regierung mit Sanktionen belegt. Vor der Abstimmung am Sonntag erhöhten die USA und die EU den Druck auf Ortega. Der US-Kongress verabschiedete am Mittwoch ein Gesetz, das unter anderem eine Verschärfung der Sanktionen gegen seine Regierung vorsieht.
Die US-Regierung nannte die Wahl eine “Farce”, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach von einer “Fake”-Wahl. Es gehe nur darum, “den Diktator Ortega an der Macht zu halten”, sagte Borrell. Er kündigte an, dass Brüssel das Wahlergebnis nicht anerkennen werde.
Ortega, zu dessen wichtigsten Verbündeten Venezuela, Kuba und Russland zählen, wirft den USA und der EU eine “Einmischung” in innere Angelegenheiten seines Landes vor.
Quelle: AFP