Nach dem Messerangriff auf Reisende in einem ICE in Bayern gibt es Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Tatverdächtigen. Nach einer ersten Begutachtung durch einen psychiatrischen Sachverständigen sei davon auszugehen, dass der 27-Jährige “unter einer paranoiden Schizophrenie” leide und zur Tatzeit nicht schuldfähig gewesen sei, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Gerhard Neuhof am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Neumarkt. Nach Aussage von Kriminaldirektorin Sabine Nagel gibt es “keine Hinweise auf einen islamistischen oder terroristischen Hintergrund”.
Der aus Syrien stammende Mann kam den Ermittlern zufolge 2014 nach Deutschland und lebte zuletzt in Passau. Einen Tag vor der Tat verlor er demnach seinen Arbeitsplatz. Seit 2016 besitzt der 27-Jährige eine Aufenthaltserlaubnis. Bislang trat er einmal polizeilich in Erscheinung – im vergangenen Jahr wurde er wegen eines kleineren Betrugsdelikts verurteilt, sagte Nagel.
Der Tatverdächtige soll am Samstagmorgen in dem ICE, der mit 208 Fahrgästen auf dem Weg von Passau nach Hamburg war, Mitreisende mit einem Messer angegriffen haben. Nachdem zunächst von drei Schwerverletzten die Rede war, sprach die Polizei am Sonntag von vier Verletzten.
Laut Polizeivizepräsident Thomas Schöniger wurde ein 26-jähriger Mann schwer am Kopf verletzt. Ein 39-Jähriger erlitt demnach Stichverletzungen im Oberkörper. Beide Männer seien noch im Krankenhaus. Ein 60-Jähriger habe Schnittwunden an Kopf und Rumpf erlitten. Ein weiterer 60-Jähriger sei ebenfalls verletzt worden; dieser habe sich selbst in ärztliche Behandlung begeben. Eine Frau erlitt zudem einen Schock.
Die Ermittler gehen davon aus, dass der Mann als Einzeltäter handelte. Er habe “unvermittelt” angegriffen, wobei er seine Opfer in zwei Waggons “offensichtlich wahllos” mit einem Klappmesser mit acht Zentimeter langer Klinge attackierte, sagte Schöniger. Das blutverschmierte Messer fanden Einsatzkräfte später in seiner Hose.
Der Tatverdächtige wurden bei einem Stopp des ICE in Seubersdorf von Einsatzkräften gestellt und festgenommen. Er leistete keinen Widerstand. Der 27-Jährige wurde nach Angaben von Gerhard Neuhof von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth noch am Samstag von einem psychiatrischen Sachverständigen untersucht. Diesem gegenüber habe er angegeben, dass er sich seit einiger Zeit verfolgt fühle von der Polizei. Diese schicke nach seiner Aussage Männer, die ihn beobachten würden.
Der Verdächtige habe sich nach eigener Aussage von dem ersten Opfer, einem 26-Jährigen, bedroht gefühlt und ihn deshalb angegriffen, sagte Neuhof. Die anderen Taten habe er “wie im Traum” begangen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Nürnberg am Sonntag einen sogenannten Unterbringungsbefehl. Der Tatverdächtige wurde in die Psychiatrie nach Regensburg gebracht. Hinweise auf frühere psychiatrische Behandlungen gibt es laut den Ermittlern nicht.
Dem Mann werden versuchter Mord in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchter Totschlag und vorsätzliche Körperverletzung vorgeworfen. Nagel zufolge gab es bereits zahlreiche Vernehmungen und Durchsuchungen. Neben der Wohnung des Tatverdächtigen in Passau habe es auch Durchsuchungen in seinem “persönlichen Umfeld” in Nordrhein-Westfalen und Thüringen gegeben. In NRW wohnen demnach seine Eltern und Geschwister.
Nach Angaben der Ermittler gibt es derzeit keinerlei Anhaltspunkte für eine andere Motivlage abseits der psychischen Erkrankung. Es werde aber weiter in alle Richtungen ermittelt.
Insgesamt waren 420 Einsatzkräfte von Polizei, Bundespolizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten im Einsatz. Die Fahrgäste des Schnellzugs wurden in einer Gaststätte durch speziell geschulte Kräfte betreut. Der Präsident des Polizeipräsidiums Oberpfalz, Norbert Zink, dankte den Einsatzkräften und den Menschen im Zug, die versucht hätten, “den Verdächtigen von weiteren Aktionen abzuhalten”, und Erste Hilfe leisteten.
Quelle: AFP