Finanzhilfen am vierten Tag im Mittelpunkt der Weltklimakonferenz in Glasgow

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Die Frage der Finanzierung von Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise hat am Mittwoch die UN-Klimakonferenz in Glasgow bestimmt. Großbritanniens Finanzminister Rishi Sunak bekräftigte vor den Delegierten der sogenannten COP26, dass die Industriestaaten künftig ihr Versprechen von jährlich 100 Milliarden Dollar (86,3 Milliarden Euro) für ärmere Ländern einhielten. Das Geld soll in Klimaschutz und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel fließen.

“Wir wissen, dass Sie am Boden zerstört sind wegen der doppelten Tragödie Corona und Klimawandel”, sagte Sunak. “Deshalb werden wir das Ziel, 100 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung für die Entwicklungsländer bereitzustellen, erfüllen.”

Die Finanzzusage geht auf die UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen zurück: Die Industriestaaten wollten ihre Klimahilfen für ärmere Länder demnach kontinuierlich steigern und ab 2020 eine jährliche Gesamtsumme von 100 Milliarden Dollar erreichen. 

Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) lag das Volumen der Klimahilfen 2019 jedoch unter 80 Milliarden Dollar. Auch 2020 und 2021 wird das 100-Milliarden-Dollar-Ziel nicht erreicht.

Das nicht eingelöste Versprechen belastet die Verhandlungen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Die britische COP-Präsidentschaft hatte daher vor der Weltklimakonferenz Deutschland und Kanada damit beauftragt, einen Umsetzungsplan für die Finanzzusage auszuhandeln.

Der deutsche Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth sagte am Mittwoch in Glasgow, 2022 würden die Industriestaaten “sehr nah” an das 100-Milliarden-Dollar-Ziel herankommen oder es erreichen. 2023 werde die Vorgabe “definitiv” erreicht und 2024 und 2025 übertroffen, um die vorherige Unterfinanzierung auszugleichen. Die Industriestaaten bewiesen damit, “dass sie sich an ihr Versprechen halten.”

Kanadas Minister für natürliche Ressourcen, Jonathan Wilkinson, räumte eine besondere Verantwortung der reichen Industriestaaten ein: “Wir erkennen alle an, dass die eigentliche Ursache des Klimawandels oder der CO2-Emissionen mit den entwickelten Wirtschaften zusammenhängt.” 

Bei der Einhaltung der 100-Milliarden-Dollar-Zusage spielt auch die Privatwirtschaft eine wichtige Rolle, wie Sunak, der COP26-Präsident Alok Sharma und die US-Finanzministerin Janet Yellen am Mittwoch betonten. So steht die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ), ein Klimabündnis aus mehr als 450 Banken und Vermögensverwaltern, nach eigenen Angaben für Investitionen im Gesamtumfang von 130 Billionen Dollar.

Klimaaktivisten haben allerdings Bedenken hinsichtlich der konkreten Anrechnung von Klimahilfen der Privatwirtschaft. Außerdem kritisieren sie, dass daran beteiligte Investoren weiterhin klimaschädliche fossile Energieträger wie Kohle förderten. “Mehr als 130 Billionen Dollar und keine einzige Regel, um zu verhindern, dass auch nur ein Dollar in die Ausweitung des fossilen Sektors investiert wird”, kritisierte die Chefin der Nichtregierungsorganisation Reclaim Finance, Lucie Pinson.

Überschattet wurde die Klimakonferenz auch von einem Schlagabtausch zwischen Regierungen der USA, Russlands und Chinas. US-Präsident Joe Biden hatte am Dienstag die Abwesenheit des chinesischen Präsidenten Xi Jinping und des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei der Konferenz kritisiert. Der Klimawandel sei ein “gigantisches Problem” “und sie sind weggegangen”, sagte Biden. Peking und Moskau wiesen die Vorwürfe am Mittwoch zurück.

China und Russland zählen zu den weltweit größten Treibhausgas-Emittenten, beide streben Klimaneutralität bis 2060 an. Aus Sicht von Experten müsste die Welt aber schon 2050 klimaneutral sein, damit das 1,5-Grad-Ziel noch erreicht werden kann. Derzeit steuert die Erde nach UN-Angaben auf eine Erwärmung von 2,7 Grad in diesem Jahrhundert zu.

Während Klimaaktivisten bei Protesten in Glasgow auch am Mittwoch wieder mangelnde Klimaschutzmaßnahmen beklagten, zeigte sich der frühere maledivische Präsident Mohamed Nasheed im AFP-Interview zuversichtlich, dass die Rettung des Planeten noch gelingen könne. “Ich glaube, die Menschen haben die Ernsthaftigkeit des Problems verstanden.”

Von einem “langen Weg”, der vor den Unterhändlern stehe, sprach der britische Premierminister Boris Johnson. “Ob wir das kollektive Wissen und den Willen beschwören können, uns selbst vor einem vermeidbaren Desaster zu retten, ist noch in der Schwebe”, sagte er vor dem Parlament.

Quelle: AFP

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