Führende Politiker haben am zweiten Tag der Weltklimakonferenz in Glasgow zu deutlich schärferen Klimaschutzmaßnahmen aufgerufen. “Wir sind nicht da, wo wir hinmüssen”, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag. “Es ist eine Minute vor zwölf”, mahnte auch der Konferenzgastgeber, Großbritanniens Premierminister Boris Johnson. UN-Generalsekretär António Guterres erinnerte die Staatenlenker daran, dass es beim Klimaschutz letztlich um die “Rettung der Menschheit” gehe.
Merkel verwies auf die bislang unzureichenden Klimaziele in vielen Ländern der Welt. Die von den Unterzeichnerstaaten des Pariser Klimaabkommens eingereichten Treibhausgas-Reduktionsziele “ergeben zusammen nicht das, was wir in Paris vereinbart haben”, betonte sie.
Bei der Pariser Klimakonferenz vor sechs Jahren hatten sich die Teilnehmerstaaten auf eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, idealerweise auf 1,5 Grad, im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter geeinigt. Dieses Ziel bekräftigten am Sonntag auch die Staats- und Regierungschefs der G20-Gruppe zum Abschluss ihres Gipfels in Rom.
Klimaaktivisten geht die Vereinbarung allerdings nicht weit genug. Auch Experten und die UNO warnen, dass die Erde nach derzeitigem Stand auf eine Erwärmung von 2,7 Grad in diesem Jahrhundert zusteuert.
Großbritanniens Regierungschef Johnson forderte die in Glasgow versammelten Staatenlenker auf, den Appellen der jungen Generation zu folgen. Die COP26 müsse zu dem Moment werden, “in dem wir den Klimawandel wirklich ernst nehmen und wir uns wirklich mit Kohle, Autos, Geld und Bäumen auseinandersetzen”, sagte Johnson. “Die Wut und die Ungeduld der Welt” würden “unbändig” sein, sollte es den Staaten nicht gelingen, sich auf bedeutsame Klimaschutzmaßnahmen zu verständigen.
In einem leidenschaftlichen Redebeitrag prangerte UN-Generalsekretär Guterres den Umgang der Menschen mit dem Planeten und der Artenvielfalt an. “Es ist Zeit zu sagen: genug”, sagte er. Indem der Mensch die Erde ausbeute, “schaufeln wir unser eigenes Grab”.
Auch die Regierungschefin von Barbados, Mia Mottley, warnte vor den tödlichen Folgen eines globalen Temperaturanstiegs um mehr als 1,5 Grad. Eine Erderwärmung um zwei Grad käme einem “Todesurteil” für die Bevölkerungen von Ländern wie den Malediven, Kenia, Mosambik oder Barbados gleich, sagte sie.
Insgesamt nahmen am Montag rund 120 Staats- und Regierungschefs an der Klimakonferenz teil, darunter auch US-Präsident Joe Biden, der dazu aufrief, den Kampf gegen den Klimawandel als Chance für die Weltwirtschaft zu betrachten. Nicht nach Glasgow gereist waren mit Chinas Präsident Xi Jinping und Russlands Staatschef Wladimir Putin dagegen die Staatsoberhäupter von zwei der weltweit größten Treibhausgas-Emittenten. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan sagte sagte seine Teilnahme an der Konferenz kurzfristig ab.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron richtete sich in seinem Redebeitrag an die größten Emittenten. In den Klimaverhandlungen der kommenden zwei Wochen müsse es darum gehen, die größten Emittenten, die bisher nicht das 1,5-Grad-Ziel verfolgten, zu ehrgeizigeren Klimazielen zu bewegen, sagte er. “Dies ist der einzige Weg, um unsere Strategie wieder glaubwürdig zu machen.”
Experten gehen davon aus, dass das 1,5-Grad-Ziel nur erreicht werden kann, wenn die Welt bis 2050 Klimaneutralität erreicht. Mehrere Länder, darunter die EU-Staaten und die USA, haben sich dieses Ziel bereits auf die Fahnen geschrieben. Der weltweit größte CO2-Emittent China sowie Russland streben Klimaneutralität hingegen erst bis 2060 an.
In den Straßen von Glasgow demonstrierten auch am Montag wieder tausende Aktivisten für schärfere Klimaschutzmaßnahmen, unter ihnen die Schwedin Greta Thunberg. Die 18-Jährige gehört auch zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes an die COP26-Teilnehmer. “Als Bürger aus der ganzen Welt appellieren wir an Sie, dem Klimanotstand ins Auge zu sehen”, heißt es darin. “Nicht nächstes Jahr. Nicht nächsten Monat. Jetzt.”
Quelle: AFP