Nach Jahren des diplomatischen Stillstands haben die G20-Staaten zu gemeinsamem Handeln zurückgefunden. Bei ihrem Gipfeltreffen am Wochenende in Rom einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf eine Reihe gemeinsamer Positionen: Konkretestes Ergebnis war der Beschluss zur Einführung einer globalen Mindeststeuer für Unternehmen. In der schwierigen Debatte um die Klimaziele fand die G20-Gruppe einen Kompromiss, der allerdings hinter den Erwartungen westlicher Staaten zurückblieb.
Als “historischen Erfolg” feierten die G20-Länder in ihrer Abschlusserklärung die Einführung der Mindestunternehmensbesteuerung ab 2023, die zu einem “gerechteren internationalen Steuersystem” führen werde. Die Neuregelung soll verhindern, dass sich beispielsweise große Digitalkonzerne in Niedrigsteuerländern ansiedeln, wo sie kaum Steuern zahlen müssen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach in Rom von einem einem “Gerechtigkeitssignal” und einem “Meilenstein in der globalen Zusammenarbeit”.
Besonders schwierig waren die Verhandlungen beim Thema Klimaschutz, weil hier die Interessen der G20-Länder weit auseinandergehen. Sie einigten sich letztlich auf einen Kompromiss: Die G20 werde “die Bemühungen fortsetzen”, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, heißt es in der Abschlusserklärung. Um dieses Ziel “in Reichweite” zu halten, seien aber “erhebliche Anstrengungen in allen Ländern” nötig. Eine Verpflichtung ist damit nicht verbunden, ein Zieldatum wurde nicht genannt.
Zudem einigte sich die G20-Gruppe in Rom darauf, “bis zur oder um die Mitte des Jahrhunderts” CO2-neutral zu werden. Bei der Klimaneutralität hatte die italienische G20-Präsidentschaft zunächst ein ehrgeizigeres Ziel angestrebt: Sie wollte das Jahr 2050 als Zielmarke für die CO2-Neutralität festschreiben. Gegen eine solche Festlegung gab es in Rom aber Widerstand – vor allem von Schwellenländern und von Staaten mit großer Produktion fossiler Energien.
Eine weitere Einigung im Bereich Klimaschutz sieht vor, dass die G20-Staaten ab kommendem Jahr keine “schmutzigen” Kohlekraftwerke mehr im Ausland finanzieren wollen. Ein Datum für den Ausstieg aus der Kohleverstromung nennt die Abschlusserklärung aber nicht.
Klima-Aktivisten und Umweltverbände kritisierten die Kompromisse als unzureichend. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich unzufrieden: Er verlasse Rom mit “nicht erfüllten Hoffnungen”, schrieb er auf Twitter.
Kanzlerin Merkel allerdings sprach von einem “guten Signal für Glasgow”, wo am Sonntag die Weltklimakonferenz begann. Es gebe nun ein “klareres Bekenntnis zu den 1,5 Grad”. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte in Rom: “Ich bin fest davon überzeugt, dass man hier sehen kann, dass sich die Welt in die richtige Richtung bewegt.”
Ausführlich berieten die G20-Chefs in Rom auch über die Corona-Pandemie und ihre Folgen für die Wirtschaft. Sie sagten in der Abschlusserklärung zu, die Versorgung ärmerer Länder mit Impfstoffen “voranzutreiben”. Zudem stellten sie sich hinter das Ziel, dass bis Mitte 2022 mindestens 70 Prozent der Weltbevölkerung gegen Corona geimpft sein sollen. “Die Impfstoffe müssen jetzt schnell und fair verteilt werden”, forderte Kanzlerin Merkel.
Merkel zeigte sich zum Abschluss des Treffens erfreut darüber, dass der Gipfel “insgesamt in sehr guter Atmosphäre” stattgefunden habe. “Die G20 haben heute einen konstruktiven Beitrag geleistet.” Auch US-Präsident Joe Biden zeigte sich zufrieden mit den Beschlüssen. Das Treffen habe in einigen Bereichen “greifbaren Fortschritt” gebracht.
Der Gastgeber des Gipfels, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi, resümierte zum Abschluss des Gipfels, dass die multinationale Zusammenarbeit “nach einer holprigen Phase” wieder funktioniere: Es habe sich die Überzeugung verfestigt, “dass wir ohne Zusammenarbeit nichts erreichen”.
Die G20-Gruppe umfasst die 19 größten Wirtschaftsnationen aus allen Kontinenten sowie die EU. Die Mitgliedsländer stehen für zwei Drittel der Weltbevölkerung, 85 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, drei Viertel des Welthandels – und fast 80 Prozent des weltweiten Ausstoßes an Treibhausgasen.
Quelle: AFP