Deutschlands Verbraucherinnen und Verbraucher haben im Sommer mit ihren Konsumausgaben für ein recht ordentliches Wirtschaftswachstum gesorgt: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im dritten Quartal von Juli bis September um 1,8 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Das letzte Vierteljahr dürfte wegen der steigenden Corona-Infektionszahlen und der Lieferprobleme in der Industrie deutlich schlechter ausfallen.
Ersten vorläufigen Berechnungen zufolge wurde das Wachstum im dritten Quartal vor allem von höheren privaten Konsumausgaben getragen, wie die Statistiker am Freitag mitteilten. “Die Lockerungen im Gastgewerbe, der Gastronomie, dem Einzelhandel, bei Veranstaltungen und in der Freizeitwirtschaft” seien Hintergrund für das Wachstum, erläuterte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Industrie dagegen “dürfte wegen der anhaltenden Probleme mit den Lieferketten nicht substanziell zu dem Wachstum beigetragen haben”.
Das Wachstum des vorangegangenen Quartals von April bis Juni korrigierte das Statistikamt leicht nach oben – es lag demnach bei 1,9 Prozent zum Vorquartal. Im Vergleich zum dritten Quartal 2020 legte die Wirtschaftsleistung von Juli bis September um 2,5 Prozent zu.
Die Erwartungen an das laufende Quartal von Oktober bis Dezember sind gering: Neben steigenden Inzidenzen und Lieferproblemen dämpften auch die hohen Energiepreise die Kauflaune der Verbraucher, erklärte Dullien. Der Industrie- und Handelskammertag (DIHK) verwies darauf, dass auch Strukturwandel und Fachkräftemangel das Wachstum hemmten.
Der DIHK schätzt, dass das Vorkrisenniveau erst nach dem dritten Quartal 2022 wieder erreicht sein wird. Im dritten Quartal dieses Jahres lag die Wirtschaftsleistung laut Statistik noch 1,1 Prozent unter dem Niveau des letzten Quartals vor Beginn der Corona-Krise, also Ende 2019.
Optimistischer als der DIHK äußerte sich LBBW-Analyst Jens-Oliver Niklasch. Nach zwei “recht starken Quartalen” müsse Deutschland zwar “ab jetzt kleinere Brötchen backen” – jedoch: “Alles in allem sind wir weiter auf dem Erholungspfad.”
Auch IMK-Direktor Dullien erwartet eine “beschleunigte Erholung 2022”. Es gebe Hoffnung, dass sich die Probleme mit den Lieferketten im Laufe der ersten Jahreshälfte auflösen und dann die Industrieproduktion kräftig zulege. Zudem sei zu hoffen, dass sich im Frühjahr die Covid-Situation wieder stark entspanne.
Dullien rief die Politik zu einem “größeren Investitionsprogramm” auf, um die Entwicklung zu begünstigen. Der DIHK forderte “jetzt ein Signal, dass sich Investitionen in Deutschland lohnen”.
Die Bundesregierung hatte am Mittwoch ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr auf 2,6 Prozent abgesenkt. Sie erwartet, dass sich das Wachstum auf 2022 verschiebt und hält dann ein Plus von 4,1 Prozent für möglich.
Mit den 1,8 Prozent Wachstum im dritten Quartal lag die deutsche Wirtschaft unter dem Wachstum in der Eurozone: In den 19 Mitgliedsländern wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 2,2 Prozent, in der gesamten EU um 2,1 Prozent zum Vorquartal, wie die EU-Statistikbehörde Eurostat am Freitag mitteilte.
Besonders kräftig fiel das Wachstum demnach mit 3,3 Prozent in Österreich und 3,0 Prozent in Frankreich aus; Italien erreichte ein Plus von 2,6 Prozent. Österreichs Wirtschaft liege damit bereits wieder über Vorkrisenniveau, betonte Katharina Utermöhl von der Allianz. Auch Frankreich erreichte wieder Vorkrisenniveau.
Quelle: AFP