Der Anstieg der Verbraucherpreise hat sich im Oktober weiter beschleunigt. Angetrieben von hohen Energiepreisen und bedingt auch durch Sondereffekte der Corona-Krise stieg die Inflationsrate laut Statistischem Bundesamt auf voraussichtlich 4,5 Prozent. Damit liegt die Teuerung deutlich über dem von der Europäischen Zentralbank angestrebten Ziel von zwei Prozent – trotzdem hält die EZB vorerst weiter an ihrer lockeren Geldpolitik fest.
Eine Inflationsrate von 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat ist der höchste Stand seit 28 Jahren. Besonders heftig fiel der Anstieg bei den Energiepreisen aus, die um 18,6 Prozent gegenüber Oktober 2020 zulegten. Die Preise für Nahrungsmittel kletterten laut Bundesamt binnen eines Jahres um 4,4 Prozent, Dienstleistungen verteuerten sich um 2,4 Prozent. Im Vergleich zum Vormonat September stiegen die Verbraucherpreise im Oktober um 0,5 Prozent.
Die derzeit hohen Inflationsraten haben nach Angaben des Bundesamtes “eine Reihe von Gründen”: Dazu gehört einerseits der sogenannte Basiseffekt durch niedrige Preise beispielsweise für Öl im Corona-Jahr 2020. Dieser Effekt führt dazu, dass die Veränderung zum Vorjahresmonat vergleichsweise hoch ausfällt. Zudem war 2020, als die Inflation im Gesamtjahr mit 0,5 Prozent noch so gering ausgefallen war wie zuletzt 2009 in der Finanz- und Wirtschaftskrise, zeitweilig die Mehrwertsteuer abgesenkt worden, um den in der Pandemie eingebrochenen Konsum anzukurbeln.
Hinzu kommen die Einführung der CO2-Bepreisung seit Januar 2021 sowie laut Bundesamt auch “krisenbedingte Effekte, wie die deutlichen Preisanstiege auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen”. Angesichts von Lieferengpässen hatte es zuletzt über verschiedene Wirtschaftszweige hinweg bei der Materialbeschaffung deutliche Preissteigerungen gegeben. Diese schlügen sich aber “vorerst nur teilweise und abgeschwächt” in der Inflationsrate nieder, erklärten die Statistiker.
Die Teuerungsrate in Deutschland hatte bereits im Juli mit 3,8 Prozent den höchsten Stand seit Jahrzehnten erreicht, im August dann 3,9 und im September 4,1 Prozent. In der Eurozone lag sie im September mit 3,4 Prozent auf dem höchsten Stand seit 2008. Angesichts dieser Entwicklung war zuletzt vermehrt die lockere Geldpolitik der EZB in den Fokus gerückt, die mit ihren historisch niedrigen Zinssätzen und damit günstigem Kapital die Wirtschaft in der Eurozone stimulieren will.
Der Rat der EZB ließ nun auch in seiner Sitzung am Donnerstag die Leitzinsen ebenso wie das Corona-Notprogramm Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) zum Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen vorerst unverändert.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte zugleich, dass die Phase hoher Inflation “länger andauert, als ursprünglich erwartet”. Im Verlauf des nächstes Jahres werde sie aber wieder zurückgehen, prognostizierte sie. Zudem hob Lagarde hervor, dass die Zentralbank bereit sei, ihre geldpolitischen Instrumente nachzuschärfen, um sicherzustellen, dass sich die Inflation “mittelfristig beim angestrebten Ziel von 2,0 Prozent stabilisiert”.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, erklärte, die deutlich höhere Inflation stelle die EZB vor die Herausforderung, “Menschen und Märkte davon zu überzeugen, dass diese Erhöhung temporär sein wird”. Die meisten Prognosen deuteten darauf hin, dass auch in Deutschland spätestens ab 2023 die Inflation wieder unter zwei Prozent liegen werde, fügte er hinzu. Trotzdem sei Vorsicht geboten.
KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib erklärte, dass bei den Verbraucherpreisen ein “maßgeblicher Teil” des Anstiegs der vergangenen Monate durch “die wirtschaftlichen Nachwehen der Pandemie bedingt” sei und sich kommendes Jahr zurückbilden werde. Allerdings gebe es mit Blick auf die derzeitigen Lieferengpässe weiterhin Unsicherheit, wie lange diese in der Industrie ein zusätzlicher preistreibender Faktor bleiben.
Quelle: AFP