US-Präsident Joe Biden hat nach parteiinternem Widerstand seine Pläne für ein gewaltiges Sozial- und Klimapaket auf die Hälfte zusammengestutzt. Der Präsident warb am Donnerstag eindringlich für die geplanten Maßnahmen im Umfang von jetzt 1,75 Billionen Dollar (1,5 Billionen Euro): Er sprach im Weißen Haus von “historischen Investitionen” in das Land und seine Bürger und die “bedeutendsten Investitionen” der Geschichte im Kampf gegen den Klimawandel weltweit.
“Diese Rahmenvereinbarung wird Millionen Jobs schaffen, zu Wirtschaftswachstum führen, in unsere Nation und unsere Menschen investieren, die Klimakrise in eine Chance verwandeln, und uns auf den Pfad setzen, den wirtschaftlichen Wettkampf um das 21. Jahrhundert gegen China und jedes andere große Land der Welt nicht nur zu führen, sondern auch zu gewinnen”, sagte Biden. Das Paket sei außerdem vollständig gegenfinanziert und werde nicht zu neuen Schulden führen.
Biden hatte ursprünglich 3,5 Billionen Dollar in den Ausbau des Sozialstaats und in den Klimaschutz investieren wollen. Das unter dem Namen Build Back Better – etwa: Besser neu aufbauen – bekannte Vorhaben ist ein zentraler Pfeiler seiner Reformagenda, stieß aber in Teilen der eigenen Partei auf Widerstand. Insbesondere der einflussreiche Senator Joe Manchin, der das Paket als zu kostspielig kritisiert, stellte sich quer. Biden strich seine Pläne deswegen auf die Hälfte zusammen.
Vorgesehen sind unter anderem ein Ausbau der Kinderbetreuung, Altenpflege und gesetzlichen Krankenversicherung, Steuersenkungen für Familien und Geringverdiener sowie 555 Milliarden Dollar für den Klimaschutz und den Umgang mit den Folgen der Erderwärmung. Biden musste unter anderem auf weitergehende Klimaschutz-Maßnahmen, die Einführung einer bezahlten Elternzeit und eine kostenlose zweijährige Hochschulbildung verzichten.
Biden räumte ein, dass die Pläne nicht so weit gehen wie von ihm und vielen in seiner Demokratischen Partei gewollt. “Niemand hat alles bekommen, was er wollte, auch ich nicht”, sagte der 78-jährige Präsident. “Aber so sind Kompromisse.”
Biden begab sich am Donnerstagmorgen in einem seltenen Schritt persönlich zum US-Kongress, um bei Parlamentariern seiner Partei für das neue Paket zu werben. Unklar war zunächst, ob der linke Parteiflügel den Vorschlag annehmen würde.
Der Streit spaltet die Regierungspartei schon seit Wochen. Denn neben dem Sozial- und Klimaschutzprogramm will Biden auch ein Infrastrukturpaket im Umfang von 1,2 Billionen Dollar durch den Kongress bekommen.
Abgeordnete des linken Parteiflügels blockierten dieses Vorhaben aber: Sie verlangen belastbare Zusagen zu den Sozial- und Klimaschutzmaßnahmen, bevor sie für das Infrastrukturpaket stimmen, weil sie sonst keinen Hebel mehr hätten.
Biden hofft nun, dass die Demokraten beiden Paketen zustimmen. Die Demokraten verfügen im Senat nur über eine hauchdünne Mehrheit und können sich deswegen nicht einen einzigen Abweichler leisten. Sie stellen wie die oppositionellen Republikaner 50 Senatoren, in Pattsituationen gibt aber Vizepräsidentin Kamala Harris in ihrer Funktion als Senatspräsidentin mit ihrer Stimme den Ausschlag.
Diese Konstellation gibt dem Mitte-Politiker Manchin und der Bidens Plänen ebenfalls kritisch gegenüberstehenden demokratischen Senatorin Kyrsten Sinema extrem viel Einfluss. Im Repräsentantenhaus ist die Mehrheit der Demokraten etwas größer.
Biden, der sich nach seiner Rede auf den Weg zum G20-Gipfel in Rom machte, wollte unbedingt vor seiner Abreise einen innenpolitischen Erfolg bei seiner Reformagenda erzielen. Ein Scheitern der beiden Investitionspakete wäre eine gewaltige Niederlage für den Präsidenten – zumal die Zeit drängt: Die Demokraten müssen fürchten, bei den Kongress-Zwischenwahlen im November 2021 ihre Mehrheiten in Repräsentantenhaus und Senat zu verlieren. Dann hätte Biden kaum mehr Chancen, Reformvorhaben durch den Kongress zu bekommen.
Quelle: AFP