Wegen der Weitergabe von Bundestagsgrundrissen an den russischen Militärgeheimdienst GRU hat das Berliner Kammergericht einen 56-Jährigen am Donnerstag zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Der Senat sah es als erwiesen an, dass der bei einer für das Parlament tätigen Sicherheitsfirma beschäftigte Jens F. 2017 eine CD-ROM mit den Daten weitergeleitet hatte. Das Urteil erfolgte wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit.
F. soll den Datenträger mit rund 385 Grundrissdateien “sämtlicher” vom Bundestag in der Hauptstadt genutzten Liegenschaften, darunter auch das Reichstagsgebäude, in einem Umschlag an den zu dieser Zeit amtierenden Militärattaché – einen GRU-Mitarbeiter – in der russischen Botschaft in Berlin geschickt haben. Auf der CD-ROM sei auf Russisch “besondere Wichtigkeit” vermerkt gewesen.
Der Verfassungsschutz habe die Sendung abgegriffen, den Datenträger kopiert und dann wieder zurück in den Postweg gegeben. Zuerst seien Bundestagsmitarbeiter als mögliche Täter in Verdacht geraten. Die Struktur, mit der die Dateien abgespeichert worden seien, habe dem jedoch widersprochen, befand das Gericht.
Von den Firmen, die über Bundestagsgrundrisse verfügten, sei dann nur diejenige, für die F. tätig war, in Betracht gekommen. Diese war für die Überprüfung der elektronischen Gerätschaften der Bundestagsliegenschaften zuständig. Alle anderen Unternehmen hätten nur über einen Teil der Grundrisse verfügt.
In der Firma wiederum hätten nur der Angeklagte und ein weiterer Mitarbeiter Zugriff auf die Dateien gehabt. Der andere Beschäftigte “bestritt jede Tatbeteiligung”, F. äußerte sich im ganzen Verfahren nicht. “Nur der Angeklagte kommt als Täter infrage”, sagte der Vorsitzende Richter.
Er habe durch seine Laufbahn als ehemaliger NVA-Offizier und Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR Wissen von der Anbindung des russischen Militärattachés an den Geheimdienst gehabt. Zudem habe er deshalb vom geheimdienstlichen Wert der Dateien gewusst. Diese seien zwar “nicht sensibel”, aber trotzdem nicht für die Öffentlichkeit und schon gar nicht für einen anderen Geheimdienst bestimmt gewesen.
Der Tatnachweis sei nur über den Ausschluss anderer mutmaßlicher Täter und die Gesamtschau der Beweismittel erbracht worden, fasste der Vorsitzende Richter das Vorgehen des Gerichts zusammen. Welche Motive den Angeklagten zur Tat bewegten, “konnte nicht festgestellt werden”. F. verfolgte die Urteilsverkündung ausdrucks- und regungslos.
Die Bundesanwaltschaft hatte zwei Jahre und neun Monate Haft gefordert. Der Senat blieb unter der Forderung und begründete dies unter anderem damit, dass die Tat vier Jahre zurückliege, F. keine Vorteile daraus gezogen habe und auch “nicht sicher” sei, ob die versandten Dateien je den russischen Militärgeheimdienst erreicht hätten.
F.s Verteidiger hatte in dem Verfahren vor einem Staatsschutzsenat des Berliner Kammergerichts einen Freispruch gefordert. Im Anschluss an die Urteilsverkündung teilte er mit, sein Mandant und er würden nun erörtern, ob sie das Urteil annehmen. Eine Revision ist möglich. F. wurde neben der Bewährungsstrafe zu einer Zahlung von 15.000 Euro verurteilt.
Quelle: AFP