Geheimdienste besorgt über hohe Zahl von Extremisten in Uniform

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Rechtsextremistische Umtriebe von Soldaten und Sicherheitsbeamten bereiten den Geheimdiensten zunehmende Sorgen. Von diesen Extremisten gehe eine “besondere Gefahr” aus, warnte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang am Mittwoch in einer Bundestags-Anhörung. Die Präsidentin des Bundeswehr-Geheimdiensts MAD, Martina Rosenberg, berichtete vor den Abgeordneten von aktuell knapp 1400 Verdachtsfällen in der Truppe. Der Chef des Auslandsgeheimdiensts BND, Bruno Kahl, kündigte in der Anhörung eine Reform seiner Behörde an – als Konsequenz aus den Fehlern bei der Lageanalyse zu Afghanistan.

Die Vorsitzenden der drei deutschen Geheimdienste sind gesetzlich verpflichtet, den Abgeordneten im zuständigen Bundestagsausschuss einmal pro Jahr Rede und Antwort zu stehen. Am Mittwoch kamen sie dieser Pflicht nach. Zentrales Thema der dreistündigen Anhörung war der Rechtsextremismus, den Haldenwang als “größte Gefahr” im Bereich des Extremismus einstufte.

Insbesondere rechtsextreme Uniformträger bereiten den Verfassungsschützern Sorge: In den einschlägigen Netzwerken seien “nicht selten Angehörige der Sicherheitsbehörden und auch der Streitkräfte anzutreffen”, sagte Haldenwang. “Gerade von diesen Personen geht eine besondere Gefahr aus, weil sie in der Lage sind, über sensible Informationen zu verfügen, sie haben entsprechende Ausbildungen und sie sind oft Waffenträger.”

MAD-Präsidentin Rosenberg räumte ein, dass die Zahl der Verdachtsfälle in der Bundeswehr “sehr hoch” erscheine. Derzeit würden 1397 extremistische Verdachtsfällen in ihrer Behörde bearbeitet, die große Mehrheit davon – etwa 1200 Fälle – werde dem Bereich Rechtsextremismus zugeordnet. 

Rosenberg betonte dabei, dass sich der Verdacht auf extremistische Gesinnung in den Prüfungen durch ihre Behörde nur in einem kleinen Teil der Fälle bestätige. Der Rechtsextremismus bleibe aber ein “Schwerpunkt der Extremismusabwehr des MAD”.

Haldenwang und Rosenberg betonten, dass die steigenden Verdachtszahlen auch darauf zurückzuführen sein könnten, dass es in den Behörden inzwischen eine höhere Sensibilität für Rechtsextremismus gebe und dass vermehrt Verdachtsfälle aus den Behörden heraus gemeldet würden. 

Besonders selbstkritische Töne schlug in der Anhörung BND-Chef Kahl an – Anlass waren die Fehleinschätzungen seiner Behörde zur Lage in Afghanistan. “Wir müssen eingestehen, nicht damit gerechnet zu haben, dass die Taliban so schnell Afghanistan und die Hauptstadt Kabul unter ihre Kontrolle bringen”, sagte Kahl. “Daraus müssen und wollen wir lernen.”

Kahl kündigte eine Reform an, die dem BND ein “neues organisatorisches Gerüst” geben soll. Ziel sei eine “schnelle Reaktionsfähigkeit”. Ein Baustein der geplanten BND-Reform ist nach Worten von Kahl eine “engere Verzahnung” der Informationsbeschaffung und der Auswertung. Die Zahl der Abteilungen solle von elf auf fünf reduziert werden. Gestärkt werden solle dabei auch die “kritische Überprüfung eigener Hypothesen”, um künftige Fehleinschätzungen abzuwenden.

Nach der unerwartet schnellen Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan war der Bundesnachrichtendienst auch von der Bundesregierung kritisiert worden: “Der BND hat offensichtlich eine falsche Lageeinschätzung vorgenommen, so wie andere Dienste auch”, hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) im August dem “Spiegel” gesagt. Die Bundesregierung habe ihre Entscheidungen auch auf Grundlage dieser fehlerhaften Berichte getroffen.

Thema in der Anhörung waren außerdem Manipulationsversuche ausländischer Geheimdienste vor der Bundestagswahl. Diese seien insbesondere zu Lasten der Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock ausgefallen, aber auch Unionskandidat Armin Laschet (CDU) sei Ziel vieler Angriffe im Netz gewesen, sagte Haldenwang. SPD-Kandidat Olaf Scholz sei hingegen deutlich seltener Ziel gewesen. 

Zur Identität der Urheber und deren vermuteter Motivation wollte sich Haldenwang nicht genau äußern – besonders Russland steht hier im Verdacht. Oftmals richteten sich solche Kampagnen “gegen Politiker, die sehr intensiv Standpunkte vertreten, die dem Angreifer weniger gefallen”, sagte er. Die Angriffe hätten “überwiegend” abgewendet werden können.

Quelle: AFP

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