An der Spitze des Bundestags steht zum dritten Mal in seiner Geschichte eine Frau: Die Abgeordneten wählten am Dienstag bei der konstituierenden Sitzung des 20. Deutschen Bundestags die 53-Jährige SPD-Politikerin Bärbel Bas zur Bundestagspräsidentin. Mit dem Zusammentritt des neuen Parlaments endete zugleich die Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrer Regierung. Die Bundesregierung ist nun nur noch geschäftsführend im Amt.
Für die Sozialdemokratin Bas stimmten 79,6 Prozent der Abgeordneten. Sie löst damit den CDU-Politiker Wolfgang Schäuble ab. “Es tut unserem Land gut, wenn die Bürgerinnen und Bürger sehen: Im Herzen der Demokratie trägt eine Frau die Verantwortung”, sagte Bas nach ihrer Wahl. Der stärksten Fraktion im Bundestag steht traditionell der Spitzenposten im Parlament zu. Das ist nach der Bundestagswahl die SPD.
Bas versprach auch eine überparteiliche Amtsführung. Die 53-Jährige lobte, dass das neue Parlament zum einen besonders jung und zum anderen besonders vielfältig sei. “Die Vielfalt ist eine Chance für uns alle”, sagte die SPD-Politikerin. Sie warb gleichzeitig für mehr Bürgernähe: mit einer Sprache ohne komplizierten Fachjargon und Bürgerräten als Form der Beteiligung der Gesellschaft.
Schäuble betonte in seiner Abschiedsrede die Vorbildfunktion des Parlaments für die gesellschaftliche Debatte. Konflikte müssten “fair und nach Regeln” ausgetragen werden, forderte er. Ebenso wie Bas drängte Schäuble erneut auf eine Wahlrechtsreform, um die Rekordgröße des Parlaments wieder zu verringern.
Zu Bundestagsvizepräsidentinnen wurden mit Aydan Özoguz (SPD), Yvonne Magwas (CDU), Claudia Roth (Grüne) und Petra Pau (Linke) weitere vier Frauen gewählt, außerdem zog Wolfgang Kubicki (FDP) erneut ins Bundestagspräsidium ein.
Die AfD scheiterte wie schon in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Versuch, einen Stellvertreter aus ihren Reihen in das Parlamentspräsidium wählen zu lassen. Für sie war der Abgeordnete Michael Kaufmann angetreten.
Am späten Nachmittag händigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach 16-jähriger Amtszeit Merkel die Entlassungsurkunde aus, im Anschluss auch den übrigen Mitgliedern ihres Kabinetts. Allerdings hatte der Bundespräsident die Kanzlerin sowie ihre Ministerinnen und Minister bereits am Morgen gebeten, die Amtsgeschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierung weiterzuführen.
Steinmeier würdigte die Kanzlerschaft Merkels als “eine der großen in der Geschichte”. Ihre Regierungszeit sei “prägend für unser wiedervereintes Land und für das Bild unseres Landes in der Welt” gewesen und auch “prägend für eine ganze Generation junger Frauen und Männer, denen sie eine neue, ganz eigene Form der Führung vorgelebt” habe. Zugleich sei es eine Zeit gewesen, “die nicht eben arm an Krisen und Verwerfungen war”.
“Zu sagen, die vergangene Legislatur sei ‘herausfordernd’ gewesen, trifft die Aufgaben, die es zu bewältigen galt, nicht einmal annähernd”, sagte der Bundespräsident weiter. Vor allem die Corona-Pandemie habe den Regierenden Enormes abverlangt. Eine weitere Herausforderung sei die wachsende Polarisierung in der Gesellschaft gewesen.
Die geschäftsführende Regierung kann rein rechtlich gesehen so agieren wie eine normale. Traditionsgemäß übt sie sich aber in Zurückhaltung, um den Handlungsspielraum des künftigen Kabinetts nicht einzuschränken. Dieses soll im Fall erfolgreicher Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP Anfang Dezember gebildet werden.
Quelle: AFP