Im Streit mit Polen um die Rechtsstaatlichkeit hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer einvernehmlichen Lösung aufgerufen. Die EU müsse “Möglichkeiten finden, hier wieder zusammenzukommen”, sagte Merkel am Donnerstag bei ihrem Eintreffen zum EU-Gipfel in Brüssel. “Denn eine Kaskade von Rechtsstreitigkeiten vor dem Europäischen Gerichtshof ist noch keine Lösung des Problems, wie Rechtsstaatlichkeit auch gelebt werden kann”, betonte die Kanzlerin.
Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki betonte bei seinem Eintreffen zu dem Gipfel: “Polen wird nicht unter dem Druck der Erpressung nachgeben”. Die EU-Kommission hält in dem Streit schon seit Monaten von Polen erhoffte Gelder aus dem Corona-Hilfsfonds in Höhe von 36 Milliarden Euro zurück.
Merkel wollte dem Vernehmen nach vor Gipfelbeginn ein bilaterales Gespräch mit Morawiecki führen. Zuvor hatte sich bereits Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Brüsseler Flughafen mit Morawiecki getroffen. Aus dem Elysée-Palast hieß es dazu, Macron habe in dem Gespräch seine Sorge über das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts geäußert, nach dem polnisches Recht Vorrang vor EU-Recht haben soll. Der französische Staatschef habe Morawiecki ausdrücklich gebeten, den Dialog mit der EU-Kommission zu suchen, um eine Lösung zu finden.
Der ungarische Regierungschef Viktor Orban nahm Polen dagegen in Schutz. “Die Polen haben Recht”, sagte er in Brüssel. “Das nationale Recht hat Vorrang.” Das gelte überall dort, wo die Mitgliedstaaten Kompetenzen nicht ausdrücklich an die EU übertragen hätten.
Es ist Merkels voraussichtlich letzter Gipfel als amtierende Bundeskanzlerin. Wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihr am Dienstag die Entlassungsurkunde überreicht, ist sie nur noch geschäftsführend im Amt. Diplomaten zufolge war auf dem Gipfel eine Abschiedszeremonie geplant.
Quelle: AFP