Zwei Jahre nach dem Beginn einer Protestbewegung für mehr soziale Gerechtigkeit sind in Chile erneut tausende Menschen auf die Straße gegangen. Allein in der Hauptstadt Santiago demonstrierten am Montag nach Polizeiangaben zwischen 8000 und 10.000 Menschen gegen die konservative Regierung von Präsident Sebastián Piñera. Landesweit waren laut Medienberichten rund 5000 Polizisten im Einsatz.
“Es hat sich nicht viel geändert, aber die Menschen sind aufgewacht und bereit, ihre Stimme zu erheben”, sagte eine der Demonstrantinnen in Santiago, die 22-jährige Studentin Valentina Sagrado.
In einigen Städten kam es am Rande der Proteste zu Ausschreitungen: Eine Polizeidienststelle in Puente Alto südlich von Santiago wurde angegriffen, Geschäfte wurden geplündert. Mindestens 30 Menschen wurden laut einem vorläufigen Bericht der Regierung festgenommen, fünf Polizisten wurden verletzt. Einige vermummte Protestierende setzten Absperrungen in Brand, wie AFP-Journalisten berichteten. Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen sie vor.
Im Oktober 2019 war es landesweit zu einer massiven Protestbewegung gekommen. Die Proteste hatten nach einer Erhöhung der Ticketpreise im öffentlichen Nahverkehr begonnen. Die Demonstranten kritisierten dann aber auch niedrige Löhne, hohe Kosten für Bildung und Gesundheit sowie die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Die Regierung geriet wegen des teilweise brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten in die Kritik. 34 Menschen starben, 460 weitere wurden verletzt.
Eine der zentralen Forderungen der Protestbewegung war die Abschaffung der bisherigen Verfassung. Sie stammt aus dem Jahr 1980 und damit noch aus der Zeit des Militärdiktators Augusto Pinochet (1973-90). Sie wird von vielen Chilenen für die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich verantwortlich gemacht.
In einem historischen Referendum stimmten im Oktober 2020 mehr als drei Viertel der Wahlberechtigten in dem südamerikanischen Land dafür, dass es eine neue Verfassung geben soll. Die verfassunggebende Versammlung, an deren Spitze eine Vertreterin der indigenen Minderheiten steht, nahm am Montag ihre Arbeit auf.
Quelle: AFP