Im Tarifstreit im Baugewerbe haben die Gewerkschaft IG BAU und die Arbeitgeber in der Schlichtung eine Einigung erzielt. Streiks sind damit vorerst abgewendet. Der Kompromiss gelang in der Nacht zum Freitag in der zweiten Schlichtungsrunde. Das Tarifpaket für die bundesweit fast 900.000 Beschäftigten sieht höhere Einkommen, einen Ost-West-Angleich und pauschale Regelungen für die bis zuletzt umstrittene Entschädigung für Wegezeiten vor.
Im Detail sieht der ausgehandelte Kompromiss nach Angaben beider Seiten für die Beschäftigten im Westen Lohnerhöhungen von über sechs Prozent in drei Schritten vor: 2,0 Prozent zum 1. November, 2,2 Prozent zum 1. April 2022 und noch einmal 2,0 Prozent zum 1. April 2023. Außerdem gibt es eine Corona-Prämie von 500 Euro. Zusätzlich sind zwei weitere Einmalzahlungen vorgesehen.
Die Beschäftigten im Osten erhalten insgesamt 8,5 Prozent mehr Geld: 3,0 Prozent mehr zum 1. November, 2,8 Prozent zum 1. April 2022 und 2,7 Prozent zum 1. April 2023. Hier gibt es eine Corona-Prämie in Höhe von 220 Euro.
Vereinbart wurde von beiden Seiten zudem, dass die Ost-West-Gehälter sowie der Ausbildungsvergütungen bis 2026 hundertprozentig angeglichen sind. Vorherige Einigungen per Haustarifvertrag bleiben in den Ost-Tarifgebieten möglich.
Großer Streitpunkt war bis zuletzt die von der IG BAU geforderte Entschädigung für die Anfahrtswege zu den Baustellen – diese liegen teils hunderte Kilometer vom Betriebsort entfernt. Vereinbart wurden nun pauschale, nach Kilometern gestaffelte Beiträge pro Tag. Auch wer am Einsatzort übernachten muss, bekommt mehr Geld.
Für die Arbeitnehmer saß die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) am Tisch, für die Arbeitgeberseite verhandelten der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes sowie der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Die Tarifvertragsparteien haben nun 14 Tage Zeit, dem Tarifvorschlag zuzustimmen.
IG-BAU-Chef Robert Feiger sagte AFP zu den Entschädigungen für die Anfahrtswege, dies sei ein “tarifpolitischer Meilenstein”, auf dem die Gewerkschaft aufbauen könne. “Mehr wünscht man sich immer, aber das ist von den Beträgen her schon bemerkenswert.” Wer etwa mehr als 75 Kilometer entfernt arbeite, bekomme netto neun Euro mehr am Tag, “das spüren unsere Kolleginnen und Kollegen am Bau schon sehr deutlich”.
Die Tarifverhandlungen hatten sich hingezogen – fünf Verhandlungsrunden brachten keinen Durchbruch, es drohten Streiks auf dem Bau. In zwei Schlichtungsrunden unter Moderation des Präsidenten des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, gelang nun eine Einigung.
Zwischendurch seien die Gespräche auch in den Schlichtungsrunden “total festgefahren” gewesen und es habe hinsichtlich Streiks “kurz vor knapp” gestanden, sagte Feiger AFP. Jedoch hätten beide Seiten verantwortungsbewusst bis zur Grenze des Machbaren verhandelt. “Mit diesem Kompromiss können wir leben”, sagte Feiger. Das Gesamtpaket liege deutlich über den Inflationsraten.
Die Arbeitgeber lobten die lange Laufzeit des Tarifpakets von 33 Monaten bis Ende März 2024. Das bringe “Planungssicherheit in den Unternehmen”.
Quelle: AFP