Zwei Tage nach dem Rücktritt des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz hat der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg das Amt übernommen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen nahm dem ÖVP-Politiker am Montag in der Wiener Hofburg den Amtseid ab. Das Amt sei eine Ehre, “die ich mir nie erwartet hätte und auch nie gewünscht habe”, sagte Schallenberg in einer Rede nach der Vereidigung. Es sei jedoch “keine Option gewesen, diese Verantwortung nicht zu übernehmen”.
Als neuer Außenminister vereidigt wurde der Diplomat Michael Linhart, der bisher Botschafter seines Landes in Frankreich war. Die neu formierte Bundesregierung trage eine große Verantwortung, sagte Van der Bellen. An ihr sei es, die Projekte der Koalitionsregierung aus ÖVP und Grünen weiterzuführen.
Sie müsse aber auch dafür sorgen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wiederhergestellt werde. “Ich meinerseits vertraue darauf, dass es den Koalitionspartnern gelingt, eine tragfähige Basis für eine stabile Regierungszusammenarbeit zu schaffen”, betonte Van der Bellen.
“Ich werde gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler alles daran setzen, um entstandene Gräben zuzuschütten und die gemeinsame Sacharbeit wieder in den Vordergrund zu stellen”, kündigte Schallenberg an.
Der 52-Jährige stammt aus einer Diplomatenfamilie. Seine eigene diplomatische Laufbahn begann der studierte Jurist adeliger Herkunft 1997. Nach verschiedenen Auslandsposten, darunter in Brüssel, wurde er 2019 Außenminister.
Schallenberg – von seinen Anhängern auch “Schalli” genannt – gehört zum engsten Umfeld seines Vorgängers Kurz. Beide verbindet eine Reihe gemeinsamer inhaltlicher Positionen – vor allem in der Migrationspolitik sowie in der Haltung gegenüber der Türkei.
Experten attestieren dem Vater von vier Kindern umfassende Erfahrungen auf dem internationalen Parkett; der frisch vereidigte Kanzler spricht fünf Fremdsprachen. Auch in der Kommunikation mit den Medien verfüge Schallenberg über Kompetenzen, sagt der Politikwissenschaftler Patrick Moreau.
Schallenbergs mangelnde innenpolitische Erfahrung dürfte nach Einschätzung des Experten allerdings dazu führen, dass er sich weiterhin auf die Beratung durch das Umfeld seines Vorgängers Kurz stützen müsse. Zudem will Kurz Chef der konservativen ÖVP bleiben und als Fraktionsvorsitzender ins Parlament wechseln. Die Opposition befürchtet deshalb eine Fortsetzung des “Systems Kurz” an der österreichischen Regierungsspitze.
Schallenberg stellte am Montag klar, er werde “selbstverständlich” mit Kurz als Fraktionsvorsitzendem der größten Partei im Parlament “sehr eng zusammenarbeiten”. “Alles andere wäre demokratiepolitisch absurd”. Die im Raum stehenden Vorwürfe halte er für falsch. “Ich bin überzeugt davon, dass sich am Ende des Tages herausstellen wird, dass an ihnen nichts dran war”, erklärte Schallenberg.
Kurz war am Samstagabend unter dem Druck von gegen ihn laufenden Korruptionsermittlungen zurückgetreten. Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen den 35-jährigen Ex-Kanzler wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit.
Das Team soll Kurz’ Aufstieg an die Spitze von ÖVP und Regierung seit 2016 durch geschönte Umfragen und gekaufte positive Medienberichte abgesichert haben. Im Gegenzug soll die Zeitung “Österreich” lukrative Aufträge für Anzeigen vom Finanzministerium bekommen haben. Dabei sollen auch Steuergelder geflossen sein.
Für Entsetzen sorgten unter anderem im Rahmen der Korruptionsermittlungen bekannt gewordene SMS zwischen Kurz und dem ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid. Sie förderten einen derart rauen Umgangston zutage, dass Präsident Van der Bellen öffentlich die “Respektlosigkeit” beklagte.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratulierte dem neuen Bundeskanzler per Twitter. Sie freue sich auf die “weitere erfolgreiche Zusammenarbeit für Österreich und die EU”.
Quelle: AFP