Der Bundesrat hat am Freitag die zuvor vom Kabinett beschlossene geringfügige Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze gebilligt. Laut der neuen Verordnung steigt der Regelsatz für alleinstehende Erwachsende zum Jahreswechsel um drei Euro auf 449 Euro. Gewerkschaften und Sozialverbände halten die Anpassung für unzureichend und die Höhe der Sätze für teilweise verfassungswidrig.
Der Regelsatz für Jugendliche ab 14 Jahren steigt nach der neuen Verordnung um ebenfalls drei Euro auf 376 Euro. Ehegatten und Partner erhalten künftig 404 Euro, Erwachsene unter 25 Jahren ohne eigenen Haushalt 360 Euro. Auch hier liegt das Plus bei jeweils drei Euro im Monat. Zudem beträgt der Regelsatz für Kinder bis fünf Jahre statt bisher 283 Euro im neuen Jahr 285 Euro pro Monat. Für die Sechs- bis 13-Jährigen erhöht sich der Satz um ebenfalls zwei Euro auf 311 Euro.
Laut einem vom Paritätischen Gesamtverband in Auftrag gegebenen Gutachten verstößt die geringe Anhebung der Hartz-IV-Sätze zum Jahreswechsel gegen das Grundgesetz. Die Verfassung verpflichte den Gesetzgeber, die absehbare Kaufkraftminderung für Grundsicherungsbeziehende abzuwenden, heißt es in der am Freitag von dem Verband publizierten Expertise.
In dem Gutachten der Rechtswissenschaftlerin Anne Lenze wird auf zurückliegende einschlägige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verwiesen, denen zufolge die Regelbedarfe bereits an der untersten Grenze dessen liegen, was verfassungsrechtlich gefordert ist. Die niedrige Anpassung der Sätze zum Januar in Verbindung mit der anziehenden Inflation läute nun eine “neue Stufe der Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums” ein, heißt es.
Der Paritätische wies darauf hin, bereits frühzeitig vor dem Auseinanderklaffen von Hartz-IV-Anpassung und Inflation gewarnt zu haben. “Der Vorgang ist nicht nur für die betroffenen Menschen hart und folgenschwer – er unterläuft darüber hinaus grundsätzlich den sozialstaatlichen Grundauftrag, das menschenwürdige Existenzminimum sicherzustellen”, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider.
Ein breites Verbändebündnis rief die noch amtierende Bundesregierung umgehend zu einer Korrektur auf. Beteiligt sind unter anderem auch Volkssolidarität, Sozialverband VdK sowie kirchliche Sozialverbände. Die Anpassung der Hartz-IV-Sätze orientiert sich an der Preisentwicklung im Zeitraum von Juli des Vorjahres bis zum Juni des laufenden Jahres. In diesem Zeitraum gab es allerdings diesmal eine Reihe von Sondereffekten aufgrund der Corona-Krise.
Unterstützt wird die Korrekturforderung ebenfalls vom Deutschen Kinderhilfswerk. Damit “kann die Kinderarmutsquote in Deutschland nicht gesenkt werden, da sie nicht mal die Inflationsrate kompensiert”, kritisierte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann die geringe Anpassung. Die Erhöhungen um nur zwei Euro monatlich für Kinder entsprächen “insgesamt nicht dem notwendigen soziokulturellen Existenzminimum”, erklärte auch er. Als dauerhafte Lösung drängt das Kinderhilfswerk wie auch weitere Verbände auf eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung, die bestehende kindbezogene Leistungen bündeln würde.
Der Grünen-Sozialexperte Sven Lehmann sprach sich im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) dafür aus, die Erhöhung der Sätze für Hartz-IV-Empfänger zum Thema bei den Sondierungsgesprächen über eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP zu machen. Höhere Hinzuverdienstgrenzen für Hartz-IV-Empfänger forderte der FDP-Sozialpolitiker Pascal Kober.
Quelle: AFP