Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an den deutschen Chemiker Benjamin List und seinen US-Kollegen David MacMillan. Die beiden Wissenschaftler werden für die Entwicklung eines “genialen” neuen Instruments zum Aufbau von Molekülen geehrt, wie die Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch in Stockholm bekanntgab. Die sogenannte asymmetrische Organokatalyse sei wichtig für die Arzneimittel-Forschung und habe die Chemie umweltfreundlicher gemacht.
Der 53-jährige List stammt aus Frankfurt am Main und ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Der gleichaltrige MacMillan stammt ursprünglich aus Schottland und ist Professor an der US-Elite-Universität Princeton. Sie werden sich das Preisgeld von zehn Millionen Kronen (rund 985.000 Euro) teilen.
List hatte den Anruf aus Stockholm nach eigener Aussage überhaupt nicht erwartet. “Ich dachte, jemand macht einen Witz. Ich saß gerade mit meiner Frau beim Frühstück”, sagte der bei der Pressekonferenz zugeschaltete Chemiker. Normalerweise witzele seine Frau jedes Jahr bei der Nobelpreis-Vergabe, dass er sein Telefon im Auge behalten solle. “Aber heute haben wir den Witz noch nicht mal gemacht.”
Die von List und MacMillan entwickelte Organokatalyse sei “so einfach wie genial”, erklärte der Vorsitzende des Nobelkomitees für Chemie, Johan Aquvist. Forscher könnten nun viele Produkte effizienter herstellen, von neuen Arzneimitteln bis hin zu Solarzellen. “Auf diese Weise bringen Organo-Katalysatoren der Menschheit den größten Nutzen”, erklärte die Schwedische Akademie.
Katalysatoren sind Substanzen, die chemische Reaktionen steuern und beschleunigen. Bis zu den Entdeckungen von List und MacMillan waren Naturwissenschaftler davon ausgegangen, dass es nur zwei Arten von Katalysatoren gibt, Enzyme und Metalle – darunter oft giftige Schwermetalle oder teure Edelmetalle.
Im Jahr 2000 entwickelten List und MacMillan dann unabhängig voneinander eine dritte Art der Katalyse, die kleine organische Moleküle nutzt. Der Vorteil sogenannter Organo-Katalysatoren ist, dass sie sowohl umweltfreundlicher als auch günstig in der Herstellung sind.
Regierungssprecher Steffen Seibert gratulierte List auf Twitter. Er sprach von einem erneuten “stolzen Tag für die Wissenschaft in Deutschland”. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte eine “große wissenschaftliche Leistung”. Sie zeige “wie es uns gelingen kann, künftig unseren Wohlstand immer besser mit den natürlichen Voraussetzungen unserer Existenz in Einklang zu bringen.”
Im vergangenen Jahr war der Chemie-Nobelpreis an die Erfinderinnen der sogenannten Gen-Schere, die Französin Emmanuelle Charpentier und die US-Wissenschaftlerin Jennifer Doudna, gegangen. Mit dem in den USA forschenden Biochemiker Joachim Frank hatte zuletzt 2017 ein Deutscher den Chemie-Nobelpreis erhalten.
Am Montag und Dienstag waren bereits die Nobelpreise für Medizin und Physik vergeben worden: Der Medizin-Nobelpreis ging an die US-Forscher David Julius und Ardem Patapoutian. Der deutsche Klimaforscher Klaus Hasselmann erhielt den Physik-Nobelpreis zusammen mit seinem US-japanischen Kollegen Syukuro Manabe und dem Italiener Giorgio Parisi. Am Donnerstag folgt der Nobelpreis für Literatur, am Freitag der Friedensnobelpreis und am Montag die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften.
Die Nobelpreise werden traditionell am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, überreicht. Wegen der Corona-Pandemie werden die Auszeichnungen in den Wissenschaftskategorien sowie der Literatur-Nobelpreis dieses Jahr erneut nicht in Stockholm, sondern in den Heimatländern der Ausgezeichneten überreicht.
Quelle: AFP