„Die Digitalisierung ist ein Hoffnungsträger für die Nachhaltigkeit“
Dr. Ralf Hofmann hat vor 25 Jahren das Unternehmen MHP gegründet und leitet es noch immer mit großer Freude. Im Interview verrät er, was die Digitalisierung Unternehmen bringt, warum MHP Sponsor beim FC Heidenheim wurde und was ihn persönlich nach Wladiwostok zieht.
Redaktion: Sie leiten die MHP Management- und IT Beratung. Was machen Sie da genau?
Dr. Ralf Hofmann: Unsere Beraterinnen und Berater digitalisieren den ganzen Tag lang die Unternehmen, die bei uns Kunden sind. Man muss sich das so vorstellen: Jede Software muss auf individuelle Weise angepasst und zum Laufen gebracht werden, damit sie für den jeweiligen Anwender bestmöglich nutzbar ist. Das erledigen wir unter anderem für unsere Kunden. Den Großteil unseres Umsatzes – etwa 85 Prozent – machen wir im Automobilbereich, also bei den großen Herstellern und deren Zulieferern. Ihre Prozesse kennen wir aus jahrelanger Erfahrung und wissen, was man wann und wie softwareseitig optimieren kann. Das Schöne ist: Das hört nie auf, denn industrielle Produktion, das ist kontinuierliche Verbesserung auf Basis des technisch Machbaren.
Redaktion: Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß?
Dr. Ralf Hofmann: Ich bin ein geborener Berater. Gäbe es sie nicht schon, hätte man die IT-Beratung für mich erfinden müssen. In unterschiedliche Büros oder OnlineKonferenzen zu ganz verschiedenen Kunden zu kommen und eine Vielfalt an Menschen und Zielen kennenzulernen – das genieße ich. Ich bin ein People-Mensch. In der Beratung – und gerade in meiner Rolle – haben Sie den Vorteil, dass Sie es häufig mit jungen Leuten zu tun haben. Bei MHP haben wir einen Altersdurchschnitt, der deutlich unter dem in der Industrie liegt und stellen jedes Jahr um die 350 neue Beraterinnen und Berater direkt von den Hochschulen ein. Die Sichtweisen der neuen Generation haben sich verändert, Stichwort Generation Y und Z, und das hält jung und ist voll mein Ding.
Redaktion: Die Digitalisierung ist im Privaten wie im Unternehmerischen ja schon seit vielen Jahren auf dem Vormarsch. Haben sich die Schwerpunkte in letzter Zeit geändert?
Dr. Ralf Hofmann: Wenn Sie 40 bis 50 Jahre zurückgehen, hatte die beste IT das Militär, dann kam der Staat mit Fax und Telefon und irgendwann mal der private Haushalt. Heute ist die Digitalisierung durch den privaten Nutzen alltäglich geworden – das Smartphone als Werkzeug ist immer dabei. In diese Situation hinein platzte Corona und hat sich zum größten Change-Management-Projekt in der Geschichte der Digitalisierung entwickelt. Stellen Sie sich vor: Wir haben 1.000 Projekte innerhalb von zwei Wochen auf digital umgestellt und 2.500 Beraterinnen und Berater nach Hause geschickt. Zwar hatten wir die Infrastruktur, aber von heute auf morgen ausschließlich digital zusammenzuarbeiten, war für uns alle neu.
Redaktion: Was sind bei Ihren Kunden gerade die gravierendsten Veränderungen?
Dr. Ralf Hofmann: In der Industrie kann man die Digitalisierung in zwei Stränge aufteilen: Zum einen ist das der immer stärkere Einsatz von IT in der Entwicklung und Produktion, von der Robotik bis hin zur Künstlichen Intelligenz (KI). Gerade KI, also die intelligente Auswertung, Nutzung und Interpretation großer Datenmengen, wird vieles schneller und einfacher machen. Der andere Bereich ist das Produkt selbst, also zum Beispiel das Auto. Hier gibt es mit Tesla ja quasi schon eine Software auf Rädern. Unsere Kunden dagegen haben längst Räder und bauen jetzt mit unserer Hilfe immer mehr Software ein. Ganz besonders gilt das für E-Fahrzeuge, die stark auf dem Vormarsch sind und noch mehr
als Verbrenner von der IT abhängen, etwa beim Ladesäulenmanagement.
Redaktion: Was kann die Digitalisierung bringen, wenn es um Nachhaltigkeit geht?
Dr. Ralf Hofmann: Um die wachsenden politischen und gesellschaftlichen Anforderungen umsetzen zu können, ist die Digitalisierung absolut notwendig. Sie ist ein Hoffnungsträger für die Nachhaltigkeit. Denn wie wollen Sie Lieferketten nachhalten ohne EDV? Wie wollen Sie CO2-Management betreiben ohne IT? Wie wollen Sie Klimamodelle simulieren ohne Software? Wie wollen Sie optimieren ohne KI? Ich bin wirklich zu 100 Prozent davon überzeugt, dass wir mit unserer großen digitalen Kraft vieles verbessern können. Das ist einer der Gründe, warum wir vielleicht sogar Hoffnung haben dürfen, dass wir den Klimawandel in den Griff bekommen.
Redaktion: Merken Sie bei Kunden oder Bewerbern einen Trend zu mehr Nachhaltigkeit?
Dr. Ralf Hofmann: Es gibt gesellschaftlichen Druck und Gesetzesvorlagen – beides hat großen Einfluss und führt dazu, dass unsere Kunden nachhaltiger werden und ihre
CO2-Emissionen reduzieren wollen. Hinzu kommt die schon erwähnte Elektromobilität. Sie wird sich durchsetzen, ob man will oder nicht, und darauf bereiten sich die Unternehmen intensiv vor. Für Bewerberinnen und Bewerber ist ein Nachhaltigkeitsfokus oder generell eine Festlegung auf überzeugende Werte sehr wichtig. Wir haben ja einen großen
Fachkräftemangel in Deutschland, es gibt viel zu wenige IT‘lerinnen und IT‘ler. Im Recruiting erfolgreich zu sein, gehört zu unseren wichtigsten Aufgaben.
Redaktion: Wie äußert sich das bei MHP?
Dr. Ralf Hofmann: Wir sind 3.000 Leute, 2.500 davon arbeiten in Deutschland. Das heißt: Wir sind international nicht sehr groß, für Deutschland aber schon. Allerdings gelingt es uns nicht unseren Mitarbeiterbedarf vor Ort zu decken, wir sind auf das Ausland angewiesen. In Rumänien haben wir zum Beispiel 350 Leute. Am Standort Deutschland müsste noch viel stärker im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik ausgebildet werden.
Redaktion: Hilft es Ihnen da nicht, dass Sie eine „Porsche Company“ sind?
Dr. Ralf Hofmann: Der Name zieht durchaus – allerdings in der IT weniger als bei Ingenieurinnen und Ingenieuren, Autokäuferinnen und Autokäufern. Wir sind eine People Company. Als Beratung haben wir keine Maschinen, Material, Fabrikhallen oder Ähnliches. Das einzige und zugleich wertvollste Kapital, welches wir haben, sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von daher haben wir andere Gene als die Industrie, die über starke Produkte verfügt. Für uns ist Recruiting ein Kernprozess, der fast genauso wichtig ist wie der Vertriebsprozess.
Redaktion: Es gab in den letzten Jahren mehrere Rankings, in denen Sie unter den Top Ten der beliebtesten Manager Deutschlands zu finden waren. Wie haben Sie das geschafft?
Dr. Ralf Hofmann: Das waren Befragungen, mit denen ich nichts zu tun hatte, über deren Ergebnis ich mich aber natürlich riesig freue. Die Leute haben heutzutage ganz andere Möglichkeiten, um sich ihren Arbeitgeber auszusuchen. Man wird in Portalen bewertet und dadurch sehr gläsern. Das kann Fluch und Segen sein. In meinem Fall bin ich dankbar und hoffe diesen Status halten zu können.
Redaktion: Was ist Ihnen als Chef besonders wichtig?
Dr. Ralf Hofmann: Als Chef und Gründer ist es für mich elementar, dass sich alle bei uns wohlfühlen. Jede und jeder soll einen Platz finden, auf dem sie oder er sich entfalten kann. Das scheint ganz gut zu funktionieren. Ich bin ich stolz darauf, dass wir eine deutlich niedrigere Fluktuation haben als der Branchendurchschnitt.
Redaktion: MHP hat für sich zahlreiche Werte definiert, einer davon ist Authentizität. Was meinen Sie damit?
Dr. Ralf Hofmann: Wir sind ein großer Verfechter der Vielfalt. Wir wollen divers sein, immer mehr. Heute haben wir beispielsweise einen Frauenanteil von 30 Prozent – da geht noch einiges. Auch von den Charakteren und Talenten her setze ich auf Vielfalt, auf Ecken und Kanten. Wir haben total unterschiedliche Leute und jedem und jeder soll es möglich sein, auf individuelle Weise seine PS auf die Straße zu bringen.
Redaktion: Was sind denn Ihre persönlichen Ecken und Kanten?
Dr. Ralf Hofmann: Hm, ich bin eigentlich ganz zufrieden mit mir. Meine größte Kante ist, dass ich launisch bin. Bei mir sieht man schon daran, wie ich das Auto parke, welche Laune ich habe. Außerdem rede ich sehr viel.
Redaktion: Mögen Sie Fußball?
Dr. Ralf Hofmann: Ich habe das bei der letzten Sponsorenveranstaltung in Heidenheim vor 400 Leuten schon mal gesagt: Ich würde keinen Termin verlegen wegen eines Fußballspiels – und zwar egal, um was für ein Spiel es sich handelt. Aber natürlich mag ich den Sport, jetzt noch mehr, weil ich die Heidenheimer Trikots so gerne sehe!
Redaktion: MHP unterstützt den FC Heidenheim als Haupt- und Trikotsponsor. Wie ist es dazu gekommen?
Dr. Ralf Hofmann: Wir wollen wachsen, dazu müssen wir am Bewerbermarkt noch bekannter werden. Und man muss ehrlich sagen: Wenn man in Deutschland bekannt werden will, kommt man um den Fußball nicht herum. Gerade weil ich kein extremer Fußballfan bin, sind wir die ganze Sache recht nüchtern und analytisch angegangen: Wir haben uns mehrere Monate lang mit dem Verein auseinandergesetzt und dabei festgestellt, dass er in vielerlei Hinsicht unsere Werte teilt, etwa organisches Wachstum, Integrität, Bodenständigkeit und Loyalität. Kein anderer Bundesligatrainer ist länger beschäftigt als der Heidenheimer! Das sind alles Attribute, die zu uns passen. Deshalb haben wir gesagt: Ja, wir machen das.
Redaktion: Was erwarten Sie aktuell von den Heidenheimern?
Dr. Ralf Hofmann: Zumindest das, was sie in den letzten Jahren geschafft haben: Vorne mitspielen. Obwohl es mich natürlich freuen würde, habe ich nicht die Erwartungshaltung, dass sie gleich aufsteigen. Denn die Zweite Liga ist inzwischen eigentlich die zweite Erste Liga, wenn Sie all die großen Namen sehen wie Düsseldorf, Schalke, Bremen oder Hannover. Was ist nicht will, ist sportlich zittern, das macht keinen Spaß.
Redaktion: Welchen Sport treiben Sie am liebsten?
Dr. Ralf Hofmann: Ich jogge viel und fahre viel Mountainbike. Außerdem bin ich seit eineinhalb Jahren Jäger im Waldstück eines Freundes.
Redaktion: Was war Ihr größtes Abenteuer?
Dr. Ralf Hofmann: Ich würde sagen mein persönliches Abenteuer heißt MHP. Ich habe da viel Glück gehabt, von Anfang an. Gerade einmal zweieinhalb Jahre nachdem wir gegründet hatten, kam Porsche auf uns zu und wollte bei uns einsteigen, die Mehrheits-Anteile an MHP kaufen. Das war schon abenteuerlich.
Redaktion: Welchen Traum würden Sie sich gerne noch erfüllen?
Dr. Ralf Hofmann: Ich träume davon von Bad Rappenau, wo ich wohne, nach Wladiwostok zu fahren. Mich fasziniert Russland, vor allem Sibirien. Ich habe viel gelesen und gesehen über die Region und würde die Größe und Weite gerne selbst erleben. Die Idee, mit dem Auto die 15.000 Kilometer bis in den äußersten Osten zu fahren, habe ich schon seit Studentenzeiten und würde sie unheimlich gerne in die Tat umsetzen.