Die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Pro Asyl haben die Parteien einer künftigen Bundesregierung aufgefordert, eine Stärkung von Flüchtlingsrechten im Koalitionsvertrag zu verankern. Es müsse “ein unmissverständliches Bekenntnis” zu den Rechten von schutzsuchenden Menschen geben, erklärte Amnesty-Generalsekretär Markus Beeko am Donnerstag. So dürfe es etwa Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete wie Afghanistan und Syrien nicht mehr geben.
“Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen müssen geahndet und eine europäische Seenotrettung ins Leben gerufen werden”, verlangte Beeko weiter. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt erwartete “von Grünen, Liberalen und Sozialdemokraten”, dass sie in einer künftigen Regierung “hörbar und wirkungsvoll” für Asyl- und Menschenrechte einträten.
Die neue Bundesregierung müsse sich deshalb dafür einsetzen, dass Zurückweisungen von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen beendet würden, erklärten die Organisationen. Beschleunigte Asylverfahren an den Außengrenzen sowie haftähnliche und menschenunwürdige Unterbringung müssten verhindert werden. Ein “Totschweigen und Tolerieren der permanenten Rechtsbrüche, wie es die alte Regierung getan hat, muss ein Ende haben”, forderte Burkhardt.
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) sah vor dem Hintergrund des Dauerstreits um die Flüchtlingsaufnahme unter den EU-Staaten gleichfalls auf europäischer Ebene Handlungsbedarf. “Angesichts der andauernden Blockade innerhalb der EU sollte die neue Bundesregierung bei partnerschaftlich gestalteten Kooperationen vorangehen”, erklärte die SVR-Vorsitzende Petra Bendel. “Der Fokus auf Grenzkontrollen und Rückführung muss dabei ausbalanciert, der Flüchtlingsschutz oben angestellt und reguläre Zugangswege müssen geöffnet werden.”
In Deutschland muss die neue Bundesregierung aus Sicht von Amnesty und Pro Asyl auch die sogenannten Anker-Zentren für die zentrale Unterbringung von Geflüchteten wieder abschaffen. Flüchtlingsorganisationen kritisieren schon seit der Schaffung der ersten Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückkehr-Zentren ab August 2018, dass diese eine Integration geflüchteter Menschen verhinderten und Flüchtlinge von der Außenwelt abschneiden.
Der Sachverständigenrat verwies generell auf “Nachholbedarf” bei der Integration nach der Corona-Pandemie. Durch diese seien Integrationsfortschritte ins Stocken geraten. Nötig sei insbesondere “ein Soforthilfeprogramm, um die pandemiebedingten Rückstände vor allem von bildungsbenachteiligten Kindern und Jugendlichen rasch aufzuholen”, erklärte Bendel. “Wir brauchen mehr Kita-Plätze und Schulen, die besser auf den Normalfall Vielfalt eingestellt sind. Ausgebaute Ganztagsschulen können hier eine zentrale Rolle spielen.”
Amnesty und Pro Asyl verlangten einen Anspruch auf Familienzusammenführung auch für Menschen mit einem subsidären Schutzstatus – also für Menschen, die nicht als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind, denen aber bei der Rückkehr in ihre Heimatländer Gefahr für Leib und Leben droht.
Mit Blick auf die Lage in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban forderten die beiden Organisationen ein “Bundesaufnahmeprogramm” für Geflüchtete, die sich für Demokratie und Menschenrechte in dem Land eingesetzt hätten und nun gefährdet seien. Unterstützt werden müssten zudem Programme auf Länderebene, die darauf zielten, Afghaninnen und Afghanen aufzunehmen, die etwa durch Angehörige bereits einen Bezug zu Deutschland hätten.
Quelle: AFP