In der Union wächst nach der schweren Niederlage bei der Bundestagswahl der Druck auf CDU-Chef Armin Laschet. Vor der konstituierenden Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Dienstagnachmittag wurden die Rufe lauter, die CDU inhaltlich und personell neu aufzustellen. Konfliktpotenzial birgt auch die Wahl des Fraktionsvorsitzes: Offen war zunächst, ob Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) im Amt bestätigt wird oder die Funktion vorerst nur kommissarisch weiter ausübt.
Eine Neuaufstellung der Union forderte unter anderem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Er hätte sich einen klaren Regierungsauftrag für die Union gewünscht, sagte Altmaier der “Rheinischen Post”. “Das ist jetzt schwieriger. Deshalb müssen wir zügig über die inhaltliche und personelle Aufstellung der CDU für die Zukunft sprechen.”
Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verlangte Konsequenzen. “Nach einem solchen Wahlergebnis kann man nicht sagen: Weiter so”, sagte Günther den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zuerst müsse aber geklärt werden, ob die Union trotz ihrer Wahlschlappe die Regierung führen könne oder ob sie in die Opposition gehe.
Der CDU-Politiker Norbert Röttgen, der Anfang des Jahres wie auch Friedrich Merz Laschet im Rennen um den CDU-Parteivorsitz unterlegen war, forderte ebenfalls eine Erneuerung seiner Partei. “Die ganze Breite der Partei muss verstehen, dass das jetzt ansteht”, sagte das CDU-Präsidiumsmitglied dem “Kölner Stadt-Anzeiger”. Die CDU sei in “existenzieller Gefahr”, ihren Status als Volkspartei zu verlieren.
Röttgen riet aber von sofortigen personellen Veränderungen ab: “Wir können doch nicht parallel zu Verhandlungen über eine Regierung einen eigenen internen Wettbewerb in Gang setzen. Das würde sich nicht miteinander vertragen”.
CDU-Parteivize Julia Klöckner warnte vor voreiligen Konsequenzen. “Wir sind eine staatstragende Partei, dazu gehört nicht Kopflosigkeit, sondern Berechenbarkeit. Rücktrittsforderungen sind das Einfachste und Schlichteste”, sagte sie der “Rheinischen Post”. Klöckner hatte am Montagabend angekündigt, sich als CDU-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz zurückzuziehen.
Die Union hatte bei der Bundestagswahl mit 24,1 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis erzielt. Sie lag damit knapp hinter der SPD mit 25,7 Prozent der Stimmen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz will nach dem Wahlerfolg eine Ampel-Koalition mit Grünen und FDP bilden. Unions-Kandidat Laschet wirbt dagegen ungeachtet der Wahlschlappe für ein Jamaika-Bündnis – ebenfalls mit Grünen und FDP.
Angesichts der unklaren Regierungsbildung kommt dem Posten des Unionsfraktionschefs eine zentrale Rolle zu. Würde die CDU/CSU bei Bildung einer Ampel-Koalition in der Opposition landen, wäre der Fraktionschef automatisch Oppositionsführer. In einem solchen Fall liegen oft auch Partei- und Fraktionsvorsitz in einer Hand. Entsprechend brisant ist die Frage, ob Brinkhaus im Amt bestätigt wird oder ob er womöglich erst für eine Übergangszeit bis zur Bildung einer neuen Regierung gewählt wird.
Laschet hatte am Montag angekündigt, Brinkhaus vorschlagen zu wollen. Der CDU-Vorsitzende ließ aber offen, ob der derzeitige Fraktionschef seiner Ansicht nach nur vorübergehend im Amt bestätigt werden soll, bis die Frage möglicher Koalitionsverhandlungen geklärt ist. CSU-Chef Markus Söder kündigte am Montagabend weitere Gespräche zu dieser Personalie an.
Hamburgs CDU-Vorsitzender Christoph Ploß plädierte dafür, den Vorsitzenden der Unionsfraktion zunächst nur für eine Übergangszeit zu wählen. Es sei eine “völlig andere Frage”, ob ein Oppositionsführer gewählt werde oder jemand, der in einer Jamaika-Koalition Fraktionsführer sei, sagte Ploß im ARD-“Morgenmagazin”.
Röttgen sprach sich ebenfalls dagegen aus, bereits an diesem Dienstag über den Vorsitz der Unionsfraktion im Bundestag abzustimmen. “Erstens haben wir keinen Konsens in dieser Personalie, und zweitens wissen wir nicht, ob wir den Oppositionsführer oder den Vorsitzenden der größten Regierungsfraktion wählen. Das sind sehr unterschiedliche politische Aufgaben”, sagte der Bundestagsabgeordnete.
Quelle: AFP