Eine Plagiatsaffäre inklusive Rücktritt und eine starke Konkurrenz haben Franziska Giffey nicht bremsen können: Nach einigem Bangen angesichts eines engen Rennens mit den Grünen am Wahlabend fährt die SPD-Politikerin mit ihrer Partei bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin vom Sonntag letztlich den Sieg ein. Mit 21,4 Prozent liegen die Sozialdemokraten am Ende vor den Grünen, die 18,9 Prozent erreichen.
Bereits zuvor wird ihr Wahlsieg mit jeder Hochrechnung wahrscheinlicher – und früh ist sich Giffey sicher: “Wir sind noch nicht am Ende.” Nach ihrem Sieg kann sich Giffey ihre Koalitionspartner nun aussuchen. Am Montagmorgen sagt sie im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), sie wolle sowohl mit den Grünen als auch mit der CDU über eine mögliche Koalition sprechen.
Die Wahlsiegerin ist keine Unbekannte in Berlin: Während die Spitzenkandidaten von Grünen und CDU in der Bevölkerung kaum bekannt waren, hatte sich die 43-jährige Giffey ab 2015 als Bürgermeisterin im Problembezirk Neukölln einen Namen gemacht. Im März 2018 folgte ihr Wechsel in die Bundespolitik – Giffey wurde Bundesfamilienministerin und zeitweilig eines der beliebtesten Kabinettsmitglieder.
Doch dann holten Giffey Plagiatsvorwürfe ein: Im Herbst 2019 entschied sich die Freie Universität Berlin noch gegen eine Aberkennung des Doktortitels und beließ es bei einer Rüge. Nach einer neuerlichen Überprüfung der Arbeit entzog die Hochschule im Juni Giffey jedoch wegen Plagiaten den Doktorgrad – da war sie als Familienministerin bereits zurückgetreten.
Die Hauptstadt-SPD hielt trotz der Plagiatsaffäre an Giffey fest. Im vergangenen Herbst wurde sie mit 89 Prozent neben dem Berliner Fraktionschef Raed Saleh zur Landesparteichefin gewählt. Im April wurde die Mutter eines Sohns und Diplomverwaltungswirtin schließlich mit 85,7 Prozent zur SPD-Spitzenkandidatin gekürt.
Obwohl Giffey die bekannteste Kandidatin für die Nachfolge des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) war, hatte sie lange Zeit gegen schwache Umfragewerte ihrer Partei anzukämpfen. Im August kamen weitere Negativschlagzeilen hinzu. Giffey soll auch bei ihrer Masterarbeit abgeschrieben haben. Doch trotz der Vorwürfe konnte die SPD in Umfragen zulegen und in Führung gehen.
Giffey, die sich mit ihrem Kostümlook samt Steckfrisur stets eine konservative Note verleiht, brachte dabei auch die eigentlich linke Hauptstadt-SPD auf einen konservativeren Kurs. Sie setzt auf innere Sicherheit und eine Verkehrspolitik mit Autobahn- und teurem U-Bahnausbau. Für eine autofreie Innenstadt ist Giffey hingegen nicht zu haben.
Auch von Vergesellschaftungen der großen Immobilienkonzerne, wie sie die Initiative “Deutsche Wohnen enteignen & Co.” in ihrem nun angenommenen Volksentscheid fordert, hält sie nichts. Zu dem Votum für den Volksentscheid sagte sie am Montag im ARD-“Morgenmagazin”, dieses sei zu respektieren. Politischer Auftrag sei, dass die Umsetzbarkeit des Volksentscheids anhand eines Gesetzentwurfs geprüft werde. Sie bekräftigte zugleich ihre Position, dass Enteignungen nicht zum Bau neuer Wohnungen beitrügen.
Damit lässt Giffey die SPD näher an CDU und FDP heranrücken. Auch deren Spitzenkandidaten stellen sich klar gegen Enteignungen und fordern stattdessen mehr Wohnungsneubau. CDU-Kandidat Kai Wegner und Sebastian Czaja von der FDP machten schon deutlich, ein Regierungsbündnis mit der SPD zu favorisieren. Ob ihnen dies gegen die Grünen-Frontfrau Bettina Jarasch gelingt, ist unklar.
Wie auch immer die zukünftige Regierungskoalition in Berlin aussehen wird, scheint doch eines nach der Wahl klar zu sein: Mit Giffey als Regierender Bürgermeisterin wird die Hauptstadt neben Mecklenburg-Vorpommern mit Manuela Schwesig und Rheinland-Pfalz mit Malu Dreyer (beide SPD) zum dritten Bundesland mit einer Frau an der Regierungsspitze werden.
Quelle: AFP